Batterielose Sensor-Etiketten
Besonders weit ist die Forschung bei Sensor-Etiketten, die ohne Batterie auskommen. Sie beziehen ihre Energie über Funk, etwa vom Smartphone des Verbrauchers. Integrierte Messsysteme erkennen Gase wie Ammoniak oder Schwefelverbindungen, die beim Verderb von Fisch oder Fleisch entstehen. Manche Prototypen gehen noch weiter: Sie koppeln die Messung mit einem kleinen Wirkstoffdepot. Sobald sich erste Anzeichen von Verderb zeigen, werden antimikrobielle Stoffe freigesetzt. In Tests mit Fisch ließ sich die Haltbarkeit so um bis zu zwei Wochen verlängern.
Allerdings gibt es auch Vorbehalte. Handelsunternehmen sehen in der Einführung neuer Etiketten häufig höhere Kosten und zusätzlichen Aufwand in der Logistik. Entsorger wiederum befürchten, dass smarte Labels die Recyclingfähigkeit beeinträchtigen könnten, wenn sie nicht nahtlos in bestehende Prozesse integriert sind.
Frische sichtbar machen: Zeit-Temperatur-Indikatoren (TTI)
Während das Mindesthaltbarkeitsdatum nur eine Schätzung ist, zeigen TTIs den tatsächlichen Temperaturverlauf eines Produkts an. Sie enthalten Farbstoffe oder Enzyme, die sich je nach Dauer und Höhe der Wärmebelastung verändern. Ein Blick genügt, um zu erkennen, ob eine Kühlkette eingehalten wurde. Moderne Systeme sind mit Apps verknüpft. Händler oder Verbraucher können per Scan die Resthaltbarkeit prüfen – präziser als jedes aufgedruckte Datum.
Unsichtbar, aber wegweisend: Digitale Wasserzeichen für das Recycling
Ein zweiter Strang der Entwicklung betrifft das Recycling. Digitale Wasserzeichen gelten als eine der vielversprechendsten Technologien für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Dabei handelt es sich um unsichtbare Codes, die direkt in die Oberfläche einer Verpackung integriert werden, etwa in den Aufdruck einer Müsliriegel-Folie. Für Verbraucher bleiben sie unsichtbar, Sortieranlagen können sie jedoch mit speziellen Kameras auslesen. Die Verpackungen lassen sich so nicht nur nach Material, sondern bis auf die Artikelebene unterscheiden. So wird aus Abfall ein digital identifizierbarer Rohstoff.
Die EU-Initiative HolyGrail hat das Verfahren bereits unter realen Bedingungen erprobt. In einer Sortieranlage bei Bonn wurden in 100 Tagen fast sechs Millionen Verpackungen getestet – mit einer Erkennungsquote von mehr als 90 Prozent, selbst bei verschmutzten oder überlappenden Materialien. Bislang scheitert hochwertiges Recycling oft daran, dass Verpackungen im falschen Stoffstrom landen, obwohl sie an sich recycelbar wären.
„Grundsätzlich befürworten wir die Initiative HolyGrail, weil sie einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann, Kunststoffverpackungen hochwertiger zu recyceln und die Recyclingquoten zu erhöhen“, sagt Kim Cheng, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE). „Problematisch bleibt aber die Skalierbarkeit. Damit die Technologie tatsächlich einen Mehrwert bringt, müssen sich möglichst viele Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette beteiligen und die Integration in bestehende Sortieranlagen muss gelingen.“
Noch ist offen, ob sich die Wasserzeichen im Markt durchsetzen. Viele Anlagen arbeiten bereits mit Nahinfrarot-Systemen (NIR), die Leichtverpackungen zuverlässig trennen. Digitale Codes werden sich nur etablieren, wenn sie gegenüber diesen Verfahren einen klar erkennbaren Zusatznutzen liefern und die Investitionen für Hersteller und Betreiber wirtschaftlich tragfähig sind.
Biobasierte Folien mit Zusatznutzen
Nicht jede Innovation ist digital. Auch Materialien selbst können „intelligent“ werden. Biobasierte Folien aus PLA, Cellulose oder Chitosan lassen sich mit natürlichen Zusatzstoffen wie ätherischen Ölen oder Polyphenolen anreichern. Sie wirken antibakteriell oder antioxidativ und verlangsamen so das Wachstum von Bakterien und Schimmel. Studien zeigen: Frisches Fleisch, Gemüse oder Beeren halten sich in solchen Folien mehrere Tage länger – ohne zusätzliche Konservierungsstoffe. Erste Anwendungen gibt es bereits im Einzelhandel, etwa bei Obst- und Gemüseverpackungen im Bio-Sortiment.
Auch hier bleiben Fragen offen. Teile des Lebensmitteleinzelhandels verweisen auf höhere Kosten und teils eingeschränkte Barriere-Eigenschaften im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoffen. Entsorger wiederum kritisieren, dass biobasierte Folien in der Praxis oft im Restmüll landen, weil es für Kompostierung oder Recycling noch an geeigneten Strukturen fehlt.
Einfache Gasindikatoren
Neben Hightech-Lösungen gibt es auch niederschwellige Ansätze, etwa Einweg-Gassensoren, die in eine Verpackung integriert werden. Sie reagieren auf typische Abbauprodukte wie Amine, die beim Verderb von Fisch oder Geflügel entstehen. Das Ergebnis ist ein Farbwechsel, der für Verbraucher direkt sichtbar ist oder per NFC-Schnittstelle ausgelesen werden kann. Solche Labels sind deutlich günstiger als elektronische Sensoren und könnten deshalb schneller in größerem Maßstab zum Einsatz kommen.
Chancen und offene Fragen
Die Technologien versprechen weniger Abfall, längere Haltbarkeit, besseres Recycling und mehr Sicherheit. Doch die Hürden sind hoch: Sensoren und Etiketten müssen preislich in den Cent-Bereich sinken, damit sie massentauglich werden. Für antimikrobielle Materialien sind Zulassungen für den Lebensmittelkontakt notwendig. Und: Jede Innovation muss mit den Recyclingzielen der EU vereinbar sein. Eine intelligente Folie, die das Sortieren erschwert, hätte keine Chance.
Ein Blick nach vorn
Die Richtung ist dennoch eindeutig: Verpackungen werden Teil des Qualitätsmanagements und des Ressourcenschutzes zugleich. Für die Ernährungsindustrie eröffnen sich neue Möglichkeiten, Produkte länger frisch zu halten und Abfälle zu verringern. Für Verbraucher könnte es bedeuten, dass die vertraute Frage „Haltbar bis?“ künftig nicht mehr auf ein Datum verweist, sondern auf eine Verpackung, die selbst Auskunft gibt. Die Verpackung der Zukunft ist nicht nur Schutz, sondern Messgerät, Frühwarnsystem und aktiver Qualitätshüter.