Was bitte sind „wahre Kosten“ für Lebensmittel?

Vom 31. Juli bis zum 5. August fordern alle 2.150 Penny-Filialen für neun ausgewählte Produkte die berechneten „Wahren Kosten“ als Verkaufspreis. Basis der zusätzlichen Kosten ist die „True Costs“-Berechnung der Technischen Hochschule Nürnberg und der Universität Greifswald.

Quelle: Penny

Eine PR-Aktion vom Discounter „Penny“ erregt die Gemüter

Dort haben die Wissenschaftler die über die Lieferketten anfallenden Auswirkungen der Faktoren Boden, Klima, Wasser und Gesundheit ausgerechnet und auf den Verkaufspreis der ausgewählten Produkte aufgeschlagen. „Wir müssen uns der unbequemen Botschaft stellen, dass die Preise unserer Lebensmittel, die entlang der Lieferkette anfallen, die Umweltfolgekosten nicht widerspiegeln. Dafür wollen wir mit der nationalen Kampagne zu den „Wahren Kosten“ Bewusstsein schaffen“, sagt Penny-Betriebsleiter Stefan Görgens. Penny will seinen Kunden zeigen, welcher Preis tatsächlich für ein Lebensmittel anfällt – nicht direkt an der Supermarktkasse, sondern versteckt etwa durch höhere Umweltbelastungen oder Gesundheitskosten. Der Aufschlag für die „Wahren Kosten“ liegt bei den ausgewählten Bio-Produkten zwischen 31% und 69% Prozent und bei den konventionellen Produkten bei 38% bis 94%.

BVE-Geschäftsführerin Stefanie Sabet kann diese Intention durchaus nachvollziehen, findet aber den Zeitpunkt der Kampagne unglücklich gewählt. Denn bereits heute fließen die gestiegenen Nachhaltigkeitsanforderungen in der Lebensmittelproduktion in die Preise mit ein. „Vor dem Hintergrund der harten Preisverhandlungen zwischen Herstellern und Handelsunternehmen aufgrund der hohen Inflation in der Lebensmittelproduktion ist der Zeitpunkt überraschend.“

Doch wie können externe Faktoren als Preiszuschlag berechnet werden?

„Voraussetzung für ein Einpreisen von Externalitäten wäre eine wissenschaftliche Erhebung aller externen Kosten (positiv wie negativ), danach muss über verhältnismäßige und zielführende marktwirtschaftliche Maßnahmen diskutiert werden. Eine große methodische Herausforderung in der wissenschaftlichen Debatte um „wahre Preise“ bleibt überhaupt die richtige Erfassung der negativen aber auch aufwiegenden positiven Externalitäten. In Bezug auf die Methode, die Penny anwendet, haben wir zu wenig Transparenz, um diese wirklich abschließend bewerten zu können,“ gibt Sabet zu Bedenken.

Die Unternehmen sehen sich vor eine große Herausforderung gestellt: So werden die bürokratischen Kosten für gesetzliche Auflagen etwa beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, den entwaldungsfreien Lieferketten, dem staatlichen Tierwohlsiegel oder dem Green Deal der EU auf Seiten der Hersteller immer höher.

„Angesichts der vielfältigen Herausforderungen der Wertschöpfungsketten wird es auch vielfältige Lösungen brauchen. Das wichtigste dabei ist, dem Markt und damit den Unternehmen die Freiheit zu lassen, sich anzupassen. Unternehmen können und wollen diese zusätzliche Herausforderung bestehen, sie benötigen allerdings wirtschaftliche Anreize und Planbarkeit für ihre Investitionen. Die Politik darf nicht zu viel vorgeben oder gar subventionieren“, fasst Sabet die Situation zusammen. „Für uns ist wichtig, dass die Mehreinnahmen aus den „wahren Preisen“ ihre Signalwirkung entlang der Wertschöpfungskette des jeweiligen Produktes entfalten können und vor allem Hersteller und Erzeuger auch für Mehrleistungen in Sachen Nachhaltigkeit entsprechend entlohnt werden.“

Aber welchen Nutzen hat der Preisaufschlag für den Konsumenten?

Prof. Tobias Gaugler von der Technischen Hochschule Nürnberg blickt hoffnungsvoll in die Zukunft: „Wir können mit der Kampagne sicher wertvolle Erkenntnisse über Kaufverhalten und Akzeptanz für das Thema gewinnen. Daraus lassen sich dann Handlungsempfehlungen für die verschiedenen Akteure ableiten, um vor allem sinnvolle politische Maßnahmen zu gestalten, die zu einer nachhaltigen Transformation des Lebensmittelsektors beitragen.“

Vor allem darf diese „wahrhaftige“ Verteuerung im Sinne der Nachhaltigkeit nicht zu einer Sozialauswahl an der Kasse führen, findet Sabet: „Insofern ist in der Debatte um „wahre Preise“ aus unserer Sicht nach wie vor eine gemeinsame Lösung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erforderlich.“

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