Aufbruch trotz Krise: Warum Lebensmittelhersteller in Deutschland investieren

Es sind keine kleinen Zeichen. Es sind Großinvestitionen, Bekenntnisse und Zukunftspläne in Beton gegossen. Während die Standortbedingungen in Deutschland herausfordernder werden, gibt es auch positive Gegenbewegungen: Unternehmen wie Haribo, Ferrero und Ditsch investieren Millionen Euro – und geben dem Industriestandort Deutschland damit Rückenwind. Sie bauen neue Werke, schaffen Arbeitsplätze und setzen auf innovative Technologien.

Bunte Fruchtgummis auf einem modernen Fließband in einer SüßwarenfabrikQuelle: Parilov / Adobe Stock

Die deutsche Ernährungsindustrie steht vor erheblichen Herausforderungen. Die Branche sah sich 2024 durch eine schwächelnde Konjunktur, zusätzliche politische Regularien und eine geringe wirtschaftspolitische Planungssicherheit besonders gefordert. Eine Umfrage der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) unter mehr als 160 Unternehmen zeigt, dass nur 18 Prozent planen, ihr Engagement in Deutschland zu erhöhen. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen setzen einige Lebensmittelhersteller bewusst auf Investitionen und senden damit ein ermutigendes Signal für die Zukunft der Branche. Es sind strategische Entscheidungen, die auf Standortvorteile wie eine gut ausgebaute Infrastruktur, politische Stabilität, die Nähe zu den Absatzmärkten und einen hohen Qualitätsanspruch setzen.

Zukunft mit Zartbitter: Ferrero investiert in Hessen

Ein Beispiel ist der Süßwarenhersteller Ferrero. 170 Millionen Euro fließen in eine neue, energieeffiziente Werkshalle am deutschen Sitz in Stadtallendorf. Die Genehmigung erfolgte nach umfassender Prüfung der Umweltverträglichkeit – ein nicht unerheblicher Faktor in einem Wasserschutzgebiet. „Die Investition soll den Standort langfristig sichern und die Produktionslinie umfassend modernisieren“, heißt es aus dem Unternehmen. Der Ausbau ist ein klares Signal für die Wettbewerbsfähigkeit des hessischen Standorts – fast alle in Deutschland verkauften Ferrero-Produkte entstehen hier. Damit stärkt das Unternehmen nicht nur seine Produktionskapazitäten, sondern sichert auch langfristig Arbeitsplätze in der Region.

MAOAM „Made in Neuss“

Süße Zukunftsaussichten gibt es derweil auch in Neuss. In der Stadt am Niederrhein errichtet das Traditionsunternehmen HARIBO ein neues Werk für 300 Millionen Euro. Deutlich größer und energieeffizienter soll es werden und die gewachsene MAOAM-Produktion entlasten. „Der Standort Neuss ist mit den Mitarbeitenden vor Ort und ihrer jahrzehntelangen Expertise ein integraler Bestandteil unseres Unternehmenserfolgs. Deshalb wollen wir weiterhin in Neuss und in Deutschland als Wirtschaftsstandort investieren“, sagt Arndt Rüsges, COO von Haribo DACH. Zwar seien die Lohn- und Energiekosten hierzulande hoch und viele regulatorische Vorgaben machten es produzierenden Unternehmen nicht leicht, bedenkt Haribo-Operativchef Markus Riegelein gegenüber dem Handelsblatt. „Aber das sind Herausforderungen, die wir annehmen. Es lässt sich immer noch wettbewerbsfähig in Deutschland produzieren“, so Riegelein.

Bunte Kisten voller verpackter Maoam-Kaubonbons in einer Haribo-FabrikQuelle: HARIBO GmbH & Co. KG

Riegeloffensive in Bad Schwartau

Im Norden des Landes erweitern die Schwartauer Werke für über 25 Millionen Euro ihre Müsliriegelproduktion mit einer neuen, hochautomatisierten Linie. Hinzu kommt ein zweistelliger Millionenbetrag, um die Infrastruktur zu modernisieren und die Energieeffizienz zu steigern. Produktionsmenge und Produktvielfalt sollen ebenso steigen wie die Zahl der Beschäftigten. „Mit der neuen Produktionslinie machen wir unsere Riegelherstellung zukunftsfähig und investieren in den Standort Bad Schwartau „, so Schwartau-Geschäftsführer Markus Kohrs-Lichte.

Ditsch und Bonback: Brezeln für die Welt, Jobs für die Region

Auch Sachsen-Anhalt mausert sich zur Zukunftsregion. So investiert etwa die Schwarz Produktion – Teil der Schwarz Produktion – 300 Millionen Euro in die Großbäckerei Bonback in Halle (Saale). Zusätzlich zu den beiden bereits vorhandenen Backlinien wird ein neues Produktionsgebäude auf zwei Ebenen errichtet, das Platz für weitere Anlagen bietet. Außerdem ist ein neues, automatisiertes Tiefkühl-Hochregallager als neue Logistikdrehscheibe geplant. Der gesamte Standort wird zudem vollständig mit Grünstrom versorgt. Mit den Investitionen sollen insgesamt 400 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. „Der Ausbau ist ein klares Bekenntnis zum Standort Halle“, sagt Jörg Aldenkott, Vorstandsvorsitzender der Schwarz Produktion. Und er ergänzt: „Hier finden wir optimale Bedingungen vor, um uns weiterzuentwickeln.“

Auch Brezelbäcker Ditsch ist auf Wachstumskurs: Das Mainzer Unternehmen nimmt Millionen in die Hand und erweitert seine Produktion in Oranienbaum. Über 30 Millionen Euro fließen hier in neue Anlagen. Das Ziel: über eine Milliarde Brezeln pro Jahr produzieren. „Wir können die Produktion bei Bedarf noch weiter steigern“, so Unternehmenssprecher Günther Lindinger. Die Nachfrage nach Laugengebäck wächst international. Ditsch exportiert nach eigenen Angaben inzwischen in 38 Länder und ist damit Weltmarktführer für Laugenbackwaren.

Simon-Fleisch, RAPS und Engelke setzen auf Hightech

Auch mittelständische Unternehmen ziehen nach. So etwa Simon-Fleisch, einer der größten privaten Schlachtbetriebe Deutschlands. Der Traditionsbetrieb aus der Eifel will einen hohen einstelligen Millionenbetrag investieren, um Robotik, Automatisierung und moderne Logistik zu integrieren. Die Robotertechnik soll angesichts des Personalmangels in der Fleischwirtschaft bestimmte Arbeitsschritte ersetzen. Die Erweiterung sei unerlässlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben, so das Unternehmen.

Feierlicher Spatenstich mit mehreren Personen für den Neubau einer Hochdruck-Flüssig-Extraktionsanlage bei RAPSQuelle: Raps

In neue Anlagen investiert auch der Gewürzspezialist RAPS in Kulmbach. Ein zweistelliger Millionenbetrag fließt in eine Hochdruck-Flüssig-Extraktionsanlage, mit der natürliche Inhaltsstoffe aus Gewürzen wie Pfeffer, Koriander oder Piment schonender gewonnen werden. Regionale Wertschöpfung durch lokale Partnerschaften sind dem Unternehmen wichtig. „Für Bau und Gebäudetechnik haben wir gezielt in der Region ansässige Firmen beauftragt. Abgesehen von der Anlage und Extraktionstechnik selbst setzen wir auf regionale Beschaffung und langjährige Partnerschaften mit Betrieben aus der Region,“ sagt Dr. Udo Martens, Chief Operating Officer bei RAPS.

Im niedersächsischen Hasede weihte die Engelke Mühlengruppe jüngst eine neue Mühlenanlage ein. Sie wird nahezu komplett mit Wasserkraft betrieben. Mit der neuen Technik steigert das Traditionsunternehmen seine Energieeffizienz und erhöht die Prozesssicherheit. Auch in Sachen Hygiene werden neue Maßstäbe gesetzt.

Fazit: Ein Bekenntnis zum Standort Deutschland

Ob Hightech in Hasede, Brötchen in Oranienbaum oder Pralinen in Mittelhessen – einige Unternehmen der Ernährungsindustrie geben inmitten bürokratischer Hürden, hoher Kosten und wachsender Standortunsicherheit ein klares Votum ab. Sie investieren. In Technik, in Standorte, in Menschen. Es sind keine Investitionen aus Sentimentalität, sondern aus Überzeugung. Der Industriestandort Deutschland lebt – solange Unternehmen bereit sind, ihn aktiv mitzugestalten und die Politik verlässliche Rahmenbedingungen schafft.