Logistik ökologisch umgedacht

Swisslog gehört zu den Global Playern im Bereich der Intralogistik. Das Unternehmen plant und installiert seit Jahrzehnten Lager- sowie Kommissioniersysteme und hat sich bei automatisierten und roboterisierten Lösungen einen Namen gemacht. Große Unternehmen aus der klassischen Lebensmittelbranche zählen ebenso zu den Kunden des Schweizer Logistikers wie mittelständische und kleine Firmen. Hier ist vor allem der Bio-Kost-Sektor repräsentiert. Auch Swisslog stellt sich auf die neuen Herausforderungen unserer Zeit ein. Das betrifft vor allem Klimawandel und Nachhaltigkeit. Was genau sich dahinter verbirgt und wie Swisslog die Zukunft der Lebensmittelindustrie und ihrer Warenflüsse vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Gesellschaft bewertet, erzählt Stefan Söhlemann, Business Development Manager für Deutschland und Österreich von Swisslog Logistics Automation, im Interview.

Quelle: Swisslog Logistics Automation

Herr Söhlemann, die Zeiten sind unsicher, die Herausforderungen groß. Bleibt da das Thema Nachhaltigkeit auf der Strecke?

Stefan Söhlemann: Es ist richtig, dass wir momentan in einer multifaktoriellen Krise stecken. Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben unter anderem zu langsameren oder sogar abreißenden Lieferketten geführt, zur vorläufigen Rückkehr zu fossilen Brennstoffen sowie zu hohen Inflationsraten, die, was Energieträger betrifft, schwindelerregende Höhen erreichen. Entsprechend ächzt sowohl die Wirtschaft als auch jede Verbraucherin und jeder Verbraucher. Demgegenüber steht der Klimawandel, der, wollen wir ihn noch aufhalten, ein fundamentales Umdenken im Umgang mit Ressourcen erfordert. Daher müssen wir als Lösungsanbieter von automatisierten Intralogistiklösungen energieeffiziente und nachhaltige Konzepte anbieten.

Und was heißt das für die Lebensmittelbranche?

Stefan Söhlemann: Die Lebensmittelbranche steht vor einem besonderen Dilemma. Sie hat eine grundlegende Versorgungsaufgabe und kann deshalb die Preise nicht unendlich erhöhen. Aus diesem Grund unterliegt der Lebensmittelsektor einem enormen Effizienzdruck, auch und vor allem logistisch. Doch schließen Ökonomie und Ökologie einander nicht aus. Die Lebensmittelindustrie hat es mit einem Generationswechsel seiner Endkunden zu tun. Es erfolgt eine Transformation von einer konsumorientierten Industriegesellschaft hin zu einer jungen, nachhaltig orientierten Kulturgesellschaft. Die Nachfrage der jungen Generation der Millenials nach nachhaltigen Produkten treibt den Transformationsprozess an. So muss sich auch die Lebensmittelindustrie diesem Wandel stellen und nachhaltige Lösungen in der Logistik einsetzen, mit dem Ziel, als Gesamtunternehmen klimaneutral zu sein. Wir bei Swisslog verfolgen hier einen „ganzheitlichen Ansatz“.

Wie ist das zu verstehen?

Stefan Söhlemann: Bei Swisslog sprechen wir von einem „ganzheitlichen Ansatz“, wenn es um Aufgaben der Beratung, Planung und Ausführung logistischer Anlagen geht. Dabei begreifen wir uns nicht mehr als der reine Lösungsanbieter von Intralogistikanlagen. Vielmehr versuchen wir die Interaktion zwischen dem Gebäude, der Gebäudetechnik sowie unserer Intralogistikanlagen im ganzheitlichen Kontext zu betrachten, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht. Um energieeffiziente Anlagen der Zukunft zu gestalten, müssen wir neue Projekte integral planen und die Einbindung der einzelnen Komponenten optimal abstimmen, um das bestmögliche Ergebnis aus Perspektive der Nachhaltigkeit zu bekommen.

Würden Sie das präzisieren?

Stefan Söhlemann: Gerne. Gehen wir mal von einem Greenfield-Projekt aus. Auf der Seite der Gebäudeplanung steht die Gebäudehülle, die eingesetzten Materialien sowie die Gebäudetechnik auf der Agenda, auf der Seite der Intralogistik die Materiafluss- und Layoutplanung sowie die Auslegung der Anlage, die dort installiert werden soll. Da es aber Interaktionen zwischen den einzelnen Bereichen gibt, ergibt es mehr Sinn diese Bereiche nicht mehr getrennt voneinander zu planen, sondern als integrale Bestandteile. Zum Beispiel müssen im Bereich der Gebäudetechnik die Interaktionen der PV Anlage, der Heizung und Wärmerückgewinnung sowie der Lichttechnik beachtet werden. Wenn es um Materialien geht, müssen etwa Fragen beantwortet werden, wie eventuell ein Holzregallager für Paletten in eine nachhaltige Gebäudehülle integriert werden könnte und wie am Ende des Lebenszykluses die Materialien am Ressourcen schonendsten weiterverwendet werden können. Am Ende steht dann die Simulation und Zertifizierung der Logistikanlage als nachhaltige Anlage mit C02-Fußabdruck .

Lassen Sie uns auf die Lebensmittelbranche zurückkommen. Swisslog ist ein Automatisierer, das heißt die Lagersysteme basieren mehr auf Maschinen als auf menschlichem Zutun. Warum ist diese Art der Logistik für den Nahrungs- und Getränke-Sektor interessant?

Stefan Söhlemann: Argumente wie Preisdruck, Schnelligkeit beim Handling von oft auch verderblichen Produkten, aber auch der Personalmangel, der durch unwirtliche Arbeitsbedingungen – denken Sie nur an Kühl- oder Tiefkühlläger – verstärkt wird, sind überzeugende Argumente für den Einsatz teil- oder vollautomatischer Intralogistiktechnologien. Maschinen und Roboter können unabhängig von Arbeitszeiten, Pausen oder Urlaub arbeiten. Und so gibt es schon seit vielen Jahren einen vergleichsweise hohen Automatisierungsgrad in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, der zurzeit noch einmal einen ordentlichen Schub erfährt.

Es fällt auf, dass Swisslog viele Bio-Lebensmittelunternehmen im Kundenportfolio hat. Ist das Zufall oder ist Ihr Unternehmen hier besonders kompetent?

Stefan Söhlemann: Tatsächlich bringen Bio-Naturkost-Unternehmen Besonderheiten mit sich, auf die wir uns über die Jahre eingestellt haben. So sind sie in der Regel kleiner als viele Lebensmittelkonzerne, die wir so kennen, aber von großen Wachstumsraten und von einem Mainstream Trend geprägt, hin zur Nachfrage von Bio Produkten in allen Vertriebskanälen. Der Bio-Boom und der Trend, sich vegetarisch oder sogar vegan zu ernähren, und dies am besten fair-trade und aus ökologischer Landwirtschaft, haben manch „heimische Küche“, in der Brotaufstriche hergestellt wurden, zu einem florierenden Unternehmen gemacht. Das erfordert schnell und dynamisch mitwachsende Logistikstrukturen, auf die wir uns spezialisieren.

Eine weitere Besonderheit der Bio-Lebensmittelindustrie ist ein sehr hoher Anspruch auch in Bezug auf die ökologische Gestaltung der Logistikinfrastruktur. Da reichen Energiesparlampen und Solarelemente auf dem Dach nicht mehr aus. Beispielsweise haben wir für unseren Kunden Alnatura, um den CO2-Fußabdruck zu verkleinern, ein Palettenhochregallager ganz aus Holz gebaut – übrigens eines der weltweit größten seiner Art. Der Kunde wollte es so und wir haben es, trotz mancher Schwierigkeiten, umgesetzt, mit anderen Worten: Logistik ökologisch umgedacht. Last but not least stellen wir einen Mentalitätsunterschied zwischen konventionellen Lebensmittlern und den meisten Bio-Unternehmen fest. Letztere sind überwiegend inhabergeführt oder ganz im Sinne des Gründers oder der Gründerin geleitet. In dieser Firmenkultur zählt besonders der partnerschaftliche Kontakt. Oft hören wir von unseren Kunden aus dem Bio-Bereich, dass sie sich bei uns gut aufgehoben und geborgen fühlen, weil wir immer für sie da sind und sie über Jahre in ihrem Veränderungsprozess mit Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Sache begleiten. Das freut uns natürlich sehr und bestätigt uns in unserem Vorgehen.

Zum Schluss noch eine Frage – vor allem auch im Hinblick auf die kleineren Lebensmittelunternehmen: Sind Investitionen in die Logistikautomatisierung nicht ziemlich teuer?

Stefan Söhlemann: Das ist relativ und kommt immer darauf an, wie schnell sich ein Return-on-Investment einstellt. Können die Effizienzvorteile der Automatik schnell ausgespielt werden, amortisieren sich die Maschinen entsprechend kurzfristig. Außerdem gibt es in der Logistik kein Schwarz oder Weiß. Ich kann das eine tun, ohne das andere zu lassen, will sagen: Automatisierung kann Schritt für Schritt und/oder nur in Teilen einer Logistikanlage erfolgen. Eben dort, wo es Sinn macht. Gerade automatisierte Kleinteilelager wie ein Autostore sind skalierbar, das heißt, sie passen sich den unterschiedlichen Bedarfen an und steigern die Effizienz und Kommissionierleistung. Oft sind sie auch modular, können also Baustein für Baustein realisiert werden. Damit bleiben unter dem Strich die Investitionen überschaubar.

Herr Söhlemann, vielen Dank für dieses Gespräch!

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