„Digitaler Pionier in der Lebensmittelindustrie“ – Interview mit Marina Billinger, Gründerin von Leroma

Das Düsseldorfer Start-up Leroma will die Lebensmittelbranche erobern. Auf einer digitalen Plattform können Unternehmen effektiv und transparent nach Rohstoffen suchen. Das Konzept soll nicht nur Zeit sparen, es zeigt auch Wege zu mehr Nachhaltigkeit auf. Auf einer Überschussbörse werden Reststoffe und Überschüsse angeboten, die auch in anderen Industrien zum Einsatz kommen können.

Quelle: Leroma

Wie kam die Idee zustande, Leroma zu gründen?

Ich habe vor einiger Zeit selbst in der Lebensmittelindustrie gearbeitet und festgestellt, dass die Beschaffungsprozesse mit viel Zeit und Aufwand verbunden sind. Daher kam die Idee für Leroma: eine B2B-Plattform für Lebensmittelrohstoffe. Leroma schlägt die digitale Brücke zwischen Lebensmittelherstellern und Produzenten. In meinen Augen hat Leroma das Potenzial, die Vermittlung von Rohstoffen zu revolutionieren, denn über unsere Plattform funktioniert sie viel schneller, transparenter und effektiver als beim klassischen Sourcing-Prozess. Als zweites Geschäftsmodell haben wir eine Überschussbörse integriert, in der sowohl Reststoffe als auch Überschüsse veräußert werden können – mit dem Ziel, aktiv gegen Ressourcenverschwendung vorzugehen. Pro Jahr werden gigantische Mengen an Rohstoffen entsorgt. Das muss nicht sein.

Was unterscheidet Leroma von anderen Plattformen im B2B-E-Commerce?

Unsere Plattform ist produktorientiert, das heißt die Rohstoffe stehen im Vordergrund. Nach ihnen richtet sich die Suche. Das Alleinstellungsmerkmal sind die Filterkriterien. Im Vergleich zu anderen Plattformen haben wir mehr Facheigenschaften und Informationen zu den Rohstoffen hinterlegt, wie zum Beispiel den PH-Wert oder den Proteingehalt. All das ist filterbar. In Zukunft möchten wir gerne eine Standardisierung der Spezifikationen erreichen. Auch die Überschussbörse ist ein USP. Hier werden Reststoffe, Überschüsse und Restposten in einer Kreislaufwirtschaft weitergegeben, sodass die Lebensmittelverschwendung bereits am Anfang der Wertschöpfungskette reduziert wird.

Wie wird das Angebot angenommen und gibt es auch feste Partnerschaften mit Unternehmen?

Gerade die Überschussbörse wird von den Unternehmen gerne angenommen, da sie so ihre Reststoffe veräußern können und nicht mehr für die Entsorgung der Erzeugnisse zahlen müssen. Wir haben über 500 registrierte Unternehmen und ein internationales Partnernetzwerk.

Wie viele Überschüsse kommen jeden Monat dazu und finden sich immer Abnehmer dafür?

Jeden Monat erscheinen bis zu 50 neue Inserate auf der Überschussbörse. Über unser Netzwerk versuchen wir für jeden Rohstoff einen passenden Abnehmer zu finden, der aus dem Reststoff wieder einen Wertstoff herstellen kann. Ein interessantes Beispiel ist ein Kaffeesatz, den wir an ein Kosmetikunternehmen vermittelt haben. Ein Hersteller hatte 15 Tonnen zu dunkel geröstete Kaffeebohnen übrig. Er kontaktierte Leroma und in unserem Partnernetzwerk fand sich ein Händler, der den Rohstoff schließlich an ein Kosmetikunternehmen weiterleitete. Leroma möchte mit der Überschussbörse auch zum Umdenken anregen, denn die Rohstoffe die heute weggeworfen werden, sind die Rohstoffe, die morgen fehlen.

Wie groß ist die Datenbank bisher und wie aufwändig die Pflege?

Die Suchmaschine umfasst 15 Industriegruppen mit insgesamt 8.000 Rohstoffbezeichnungen, die mithilfe von produktspezifischen Filtern gesucht werden können. Täglich werden neue Rohstoffbezeichnungen von den Kunden vorgeschlagen, die wir in die Plattform implementieren. Geplant ist auch eine 16. Industriegruppe “Reststoffweitergabe”, die in die Datenbank integriert wird. Sie soll das Thema Kreislaufwirtschaft abermals aufgreifen, indem regelmäßig anfallende Nebenströme aus der Lebensmittelindustrie angeboten werden. Die Vision von Leroma ist es, dass diese an anderer Stelle weiterverarbeitet werden können – zum Beispiel in der Kosmetikbranche.

Was sind bisher Ihre größten Erfolge?

Unser Start-up wurde im Jahr 2019 gegründet. 2020 haben wir die Plattform mit der Rohstoffsuche gelauncht. Ein Jahr später kam die die Überschussbörse dazu, über die wir bisher 200 Tonnen Rohstoffe weitergeleitet haben. Als größten Erfolg konnten wir hier den Weiterverkauf von 44 Tonnen ungereinigtem Kümmel verbuchen. Der Kümmel wurde als Überschuss veräußert, da der Kunde kurzfristig abgesprungen war.

Glauben Sie, dass Leroma auch neue Märkte schaffen kann?

Ja, denn Leroma möchte dazu motivieren Rohstoffe bzw. Reststoffe zu inserieren, die bisher noch keinen großen Markt haben. Wir möchten aufzeigen, welche Möglichkeiten in der Weiterverarbeitung der Nebenströme liegen. Viele Rohstoffe, die innerhalb der Lebensmittelindustrie nicht mehr weiterverarbeitet werden können oder dürfen, finden in alternativen Industrien Anwendung. Gemeinsam mit Universitäten und Lebensmitteltechnologen suchen wir nach immer neuen Methoden und Optionen. Durch die Überschussbörse und die Verarbeitung ehemals wertloser Ressourcen können neue Märkte erschlossen werden.

Welches Geschäftspotenzial sehen Sie für Leroma? Wohin kann die Reise gehen?

Ich möchte behaupten, dass Leroma mit seiner Plattform ein digitaler Pionier in der Lebensmittelindustrie ist. Unser Ziel ist es, in den nächsten 5 Jahren eine weltweit bekannte B2B-Plattform für Lebensmittelrohstoffe zu werden, die eine unverzichtbare Brücke zwischen den Akteuren in der Lebensmittelindustrie bildet. Gerade das Konzept der Kreislaufwirtschaft und des Nachhaltigkeitsgedankens zeichnet uns aus. Wir möchten verschiedene Industrien zusammenbringen und zur Valorisierung von Nebenströmen anregen. Leroma zeigt, wie Reststoffe im Upcycling-Prozess weitergegeben werden können – von der Lebensmittelindustrie bis hin zur Kosmetik- und Chemiebranche.

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