Schreiben an das BMEL zur Überarbeitung der EU Abfallrahmenrichtlinie

Überarbeitung der EU-Abfallrahmenrichtlinie: Notwendigkeit zur Berücksichtigung eines Korrekturfaktors, relativ zur produzierten Menge an Lebensmitteln

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Bender,

seit nunmehr fünf Jahren setzen sich das BMEL und die deutsche Ernährungswirtschaft im Rahmen der Nationalen Strategie zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung gemeinsam dafür ein, Lebensmittelabfälle entlang der Wertschöpfungskette zu minimieren. Grundbedingung für eine erfolgreiche Reduzierung von Lebensmittelabfällen in der Produktion sind motivierte und innovative Unternehmen sowie ein praxistauglicher politischer Rahmen, der den Unternehmen ein ambitioniertes, zugleich aber auch erreichbares Ziel bietet.

Im Hinblick auf die in dieser Woche anstehenden finalen politischen Verhandlungen zur Finalisierung des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle (EU-Abfallrahmenrichtlinie), inkl. einer Festlegung von quantitativen Reduktionszielen von Lebensmittelabfällen in der Lebensmittelproduktion, erlauben wir es uns, mit einem wichtigen Anliegen und unserer Bitte um Ihre Unterstützung in Brüssel auf Sie zuzukommen.

Ein zentraler Punkt der in dieser Woche geführten Diskussion ist die Einführung eines Korrekturfaktors, der sicherstellen soll, dass die verbindlichen Reduktionsziele für Lebensmittelabfälle relativ zur produzierten Menge an Lebensmitteln berechnet werden, anstatt in absoluten Zahlen festgelegt zu sein. Ohne einen solchen Korrekturfaktor würden Unternehmen der Lebensmittelverarbeitung unverhältnismäßig hohe und potenziell unerreichbare Reduktionsanforderungen auferlegt bekommen, insbesondere angesichts natürlicher Schwankungen in der Lebensmittelproduktion.

Da unvermeidbare Lebensmittelabfälle ein fester Bestandteil der Lebensmittelverarbeitung sind und proportional mit der Produktionsmenge steigen, ist ein Korrekturfaktor entscheidend, um diese unvermeidbaren Abfälle bei der Berechnung von Reduktionszielen zu berücksichtigen. Andernfalls könnten die Ziele unrealistisch werden, da die Industrie trotz all ihrer Bemühungen, vermeidbare Abfälle zu reduzieren, immer noch mit unvermeidbaren Abfällen konfrontiert bleibt.

Wir unterstützen daher den Vorschlag des Rates (siehe Allgemeine Ausrichtung vom 07.06.2024, Artikel 9a, Absatz 5b), einen Korrekturfaktor einzuführen, der die Schwankungen in der Lebensmittelproduktionsmenge im Verhältnis zum Referenzjahr berücksichtigt, und wären Ihnen sehr dankbar, wenn sich auch das BMEL und die Bundesrepublik Deutschland hierfür in den o.g. Verhandlungen einsetzen würden.

BEGRÜNDUNG

1. Korrelation zwischen einer steigenden Lebensmittelproduktion und steigenden Lebensmittelabfällen in der Lebensmittelverarbeitung

Laut Eurostat (Key figures on the European food chain – 2024 edition) befindet sich die europäische Lebensmittelproduktion allgemein in einem Aufwärtstrend. Dieser wurde lediglich im Jahr 2020 durch COVID-19 sowie in den Jahren 2022 und 2023 durch die Lebenshaltungskostenkrise gedämpft. Eine weitere EU-Studie zeigt zudem, dass die Lebensmittelproduktion von 2020 bis 2030 voraussichtlich um 11 % ansteigen wird (Assessing the economic, social and environmental impacts of food waste reduction targets – Publications Office of the EU).

Eurostat-Daten zu Lebensmittelabfällen liegen für die Jahre 2020 bis 2022 vor. Sie zeigen, dass die in der Lebensmittelverarbeitung anfallenden Abfälle in der EU-27 leicht gestiegen sind (von 22 auf 23 kg pro Kopf) und damit dem steigenden Trend der Lebensmittelproduktion folgen.

2. Simulation

Annahme 1: Die Lebensmittelproduktion im Jahr 2025 beträgt 10.000 t und die Lebensmittelabfälle belaufen sich auf 50 t. Eine Reduzierung der Lebensmittelabfälle um 10 % (= 5 t) würde bedeuten, dass maximal 45 t an Lebensmittelabfällen anfallen dürfen (Ziel: −10 % im Vergleich zu 2025).

Annahme 2: Die Lebensmittelproduktion im Jahr 2026 verdoppelt sich und beträgt 20.000 t. Aufgrund der o. g. Korrelation kann daher erwartet werden, dass sich auch die Lebensmittelabfälle verdoppeln, also auf 100 t steigen – nicht zuletzt, da ein großer Teil der Abfälle in der Lebensmittelverarbeitung unvermeidbar ist.

Ergebnis ohne Korrekturfaktor: Die ursprünglich von der Kommission vorgeschlagene Formulierung würde zur Folge haben, dass die Lebensmittelabfälle nominell von 100 t auf 45 t reduziert werden müssten, was einer Reduzierung von 55 % entspräche (weit mehr als das ursprüngliche Ziel von 10 %).

Ergebnis mit Korrekturfaktor: Nimmt man hingegen einen Korrekturfaktor mit Bezug auf die produzierte Anzahl an Tonnen in den Text mit auf, würde sich die maximal zulässige Menge an Lebensmittelabfällen proportional zur Produktion entwickeln. In unserem Beispiel würde sich die zulässige Abfallmenge verdoppeln und höchstens 90 t betragen (doppelt so viel wie 45 t im Jahr 2025).

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, eine Formulierung von Reduktionszielen für Lebensmittelabfälle in der EU-Abfallrahmenrichtlinie ohne Berücksichtigung eines Korrekturfaktors würde die EU-Ziele für Unternehmen aus der Ernährungswirtschaft in der Praxis unerreichbar werden lassen oder könnte gar als Wachstumshemmnis für die europäische Lebensmittelproduktion wirken.

Wir zählen daher auf Ihre tatkräftige Unterstützung, sich bei den Gesprächen in Brüssel für diesen notwendigen Textzusatz einzusetzen.

Bei Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Unterschriften Schreiben AbfallrahmenrichtlinieQuelle: BVE
Unterschriften Schreiben Abfallrahmenrichtlinie