Runder Tisch Nachhaltigkeitskennzeichnung

Grundüberlegungen

Eine nachhaltigere Ernährung erfordert eine Kaufentscheidung, die die verschiedenen Aspekte von Nachhaltig- keit berücksichtigt, denn das Lebensmittelangebot richtet sich nach der Wahl und Zahlungsbereitschaft des Verbrauchers. Um den Konsum und die Nachfrage auf allen Stufen der Lebensmittellieferkette in Zukunft noch nachhaltiger zu gestalten, ist auch der Verbraucher ein unverzichtbarer Akteur auf dem gemeinsamen Weg zur Gestaltung nachhaltigerer Lebensmittelsysteme. Neben dem angebotsseitigen Engagement der Wirtschaft, bedarf es daher in gleichem Maße einer Mitwirkung des Verbrauchers sowie aller weiteren Akteure d. h. eines verantwortungsvollen Umgangs sämtlicher relevanter gesellschaftlicher Akteure mit den Ressourcen vom Acker bis zum Teller.

Damit Verbraucher in der Lage sind, bewusste nachhaltigere Kaufentscheidungen zu treffen, benötigen sie ausreichende und glaubhafte Informationen sowie das Verständnis, um diese einordnen zu können. Als Verbraucherinformationen stehen neben der umfangreichen Pflichtkennzeichnung auf Lebensmitteln, freiwillige Informationsangebote, z. B. auf der Verpackung, digital oder anderen Wegen, sowie staatliche oder private Qualitäts- oder Nachhaltigkeitssiegel zur Verfügung.

Die deutsche Ernährungsindustrie bekennt sich dazu, insbesondere die Transparenz über den ökologischen Fußabdruck von Lebensmitteln und Getränken – als aussagekräftiges Instrument einer ganzheitlichen Bewertung von Umweltleistungen von Produkten – zu erhöhen und den Verbrauchern klare und zuverlässige Informationen zur Verfügung zu stellen, soweit die Daten- und Methodenverfügbarkeit es zulässt. Die BVE unterstützt daher die Absicht der Europäischen Kommission im Rahmen des Kreislaufwirtschaftspaketes des Green Deals aber auch der Farm to Fork Strategie mit entsprechenden Initiativen in 2022 und 2023, die Verbraucherinformationen zu Umwelteitsleistungen von Produkten zu verbessern und damit EU-weit harmonisierte Regeln für die freiwillige Bereitstellung von Umweltinformationen zu Produkten für die Verbraucher zu schaffen. In diesem Sinne ist es auch zu begrüßen, dass auch die Bundesregierung im Koalitionsvertrag diese Absicht bekundet, so heißt es: „Wir unterstützen die Entwicklung von Kriterien für einen ökologischen Fußabdruck.“. Dabei darf es aber nicht um einen nationalen Alleingang hinsichtlich freiwillig-verpflichtender Umweltaussagen gehen, sondern die Bundes- regierung muss sich für eine EU-weit harmonisierte und für die Unternehmen machbare Regelung in Brüssel einsetzen. Dabei muss aus Sicht der BVE auch eine wesentliche Unterscheidung zwischen einer freiwilligen Nachhaltigkeitskennzeichnung und einer freiwilligen Umweltkennzeichnung gemacht werden. Dem Gesetzgeber muss klar sein, dass für eine ganzheitliche Nachhaltigkeitskennzeichnung von Lebensmitteln nicht nur alle drei Nachhaltigkeitsdimensionen – ökonomisch, ökologisch und sozial – berechenbar, sondern auch vergleichbar gemacht werden müssten. So müsste die Methodik bspw. den Beitrag zur Biodiversität mit dem CO2-Footprint, der Landbeanspruchung, Sozialstandards oder gar ökonomischen Aspekten vergleichbar machen. Weiter müssten im Sinne des der Nachhaltigkeit zugrundeliegenden Wesentlichkeitsprinzips auch methodische Lösungen für klassische Zielkonflikte gefunden werden (wenn bspw. bei saisonalen Produkten zwischen CO2-Fußabdruck und Regionalität abgewogen werden soll). Beides ist derzeit nicht wissenschaftsbasiert möglich.

Die BVE begrüßt es, wenn Verbraucher in die Lage versetzt werden, umweltverträglichere Entscheidungen zu treffen und dabei gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer in der EU geschaffen werden. Durch einen verhältnismäßigen EU-Rechtsrahmen kann die Politik dazu beitragen, den Markt in Richtung umwelt- freundlicherer Produkte zu lenken und die Unternehmen bei der kohärenten Verbesserung ihrer Lieferketten zu unterstützen. Dies wird den Austausch glaubwürdiger Informationen fördern, irreführende Behauptungen verhindern und die Bereitstellung solcher Informationen für die Verbraucher auf dem Binnenmarkt harmonisieren. Es muss dabei jedoch darauf geachtet werden, dass Umweltaussagen nur auf nachvollziehbaren wissenschaft- lichen Erkenntnissen erfolgen dürfen, die für alle Hersteller in der Europäischen Union gleichermaßen gelten, um einer Wettbewerbsverzerrung entgegenzuwirken. Für einen umweltfreundlicheren Einkauf sollten daher die gleichen Maßstäbe für die Auslobung von Umwelteigenschaften der Produkte festgelegt werden, da es sonst an jeglicher Vergleichbarkeit fehlt.

Prämissen für gesetzliche Anforderungen an eine umweltbezogene Nachhaltigkeitskennzeichnung

Ökologische Nachhaltigkeitsdimension in den Fokus nehmen: Die BVE empfiehlt gesetzliche Mindestanforderungen für freiwillige Nachhaltigkeitskennzeichnungen primär auf Aussagen zu ökologischen Produkteigenschaften zu begrenzen, da hier zumindest einige Methoden und Daten zur objektiven Bewertung und Überprüfung einiger Produkte verfügbar sind. So berücksichtigen Ökobilanzen bzw. der EU-Umweltfußabdruck (PEF) die umweltbezogenen Auswirkungen von Produkten auf den verschiedenen Stufen von Anbau, Transport bis zur Verarbeitung und darüber hinaus. Es wird also der gesamte Lebenszyklus eines Produkts berücksichtigt. Nur so können glaubwürdige Aussagen zum ökologischen Fußabdruck getroffen werden. Wichtig für die Glaubwürdigkeit von Umweltaussagen ist, dass konventionelle und ökologische Anbaumethoden in Hinsicht auf ihre Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima nach den gleichen Kriterien bewertet werden. Im Gegensatz zu objektiv mess- und überprüfbaren Umweltaussagen sieht die BVE die erforderliche objektive und methodische Nachweisbarkeit von freiwilligen Aussagen zu sozialen Nachhaltigkeitsaspekten als praktische Herausforderung an und verweist auf die beschränkte Verfügbarkeit entsprechender überprüfbarer Nachhaltigkeitssiegel.

Verlässliche Verbraucherinformationen basieren auf verlässlichen Informationen in der gesamten Lieferkette: Die BVE möchte darauf hinweisen, dass Unternehmen zur Sicherstellung glaubhafter Verbraucherinformationen zu Umweltleistungen auf ebenso verlässliche Informationen der Partner in der Lieferkette angewiesen sind und lediglich Entscheidungen in ihrem eigenen Geschäftsbereich verantworten können. Insofern sollten die jeweiligen Verantwortlichkeiten auf den verschiedenen Stufen der Lieferkette bei zu treffenden Mindestanforderungen für freiwillig-verpflichtende Nachhaltigkeitskennzeichnungen berücksichtigt werden, damit auch verlässliche Umweltaussagen basierend auf Ökobilanzen oder EU-Umweltfußabdruck (PEF) in der Kommunikation von Unternehmen zu Unternehmen verfügbar sind.

Zulässigkeit mehrerer Informationskanäle sowie unternehmensinterner Audits gewährleisten: Freiwillig-verpflichtende Informationen über Umweltleistungen müssen den Verbrauchern auf unterschiedliche Weise zur Verfügung gestellt werden können. Dies ist schon allein bedingt durch Limitierungen in der Praxis (bspw. begrenzter Platz auf Verpackungen und saisonal bedingte Verfügbarkeit von Rohstoffen aus unterschiedlichen Regionen). Wenn bspw. ökologische Umweltaussagen basierend auf Ökobilanzen oder PEF bspw. in Zusammenhang mit dem Produkt mit einem Punktesystem (z. B. A-E-Skala, Farbcodierung) bereitgestellt werden, sollte die Politik den Herstellern erlauben, zusätzliche Informationen zu den wichtigsten Umweltverträglichkeitsindikatoren auch auf anderen Medien anzuzeigen, ohne die Umweltaussage an sich abzuwerten. In jedem Fall sollten alle Informationen für die Verbraucher nachprüfbar, glaubwürdig, wissenschaftlich zuverlässig, transparent und leicht verständlich sein. Die Bereitstellung von Informationen über den ökologischen Fußabdruck von Lebensmitteln und Getränken für die Verbraucher sollte nicht auf Kosten anderer wichtiger Informationen, wie z. B. des Nährwerts, erfolgen. In diesem Zusammenhang sollten alternative Informationskanäle zur Produktkennzeichnung, insbesondere digitale Plattformen, in Betracht gezogen werden dürfen.

Ferner müssen die Aussagen freiwillig-verpflichtender Nachhaltigkeitskennzeichnungen überprüfbar sein, dabei sollten sowohl unabhängige Überwachungssysteme oder Zertifizierungssysteme sowie auch unternehmens- interne Audits oder Audits in Partnerschaft von Unternehmen mit anderen Stakeholdern akzeptiert werden.

Gleichbehandlung von staatlicher und privatwirtschaftlicher Nachhaltigkeitskennzeichnung: Zudem müssen für freiwillig-verpflichtende Nachhaltigkeitskennzeichnungen die gleichen Anforderungen gelten wie für staatliche Nachhaltigkeitssiegel. Insbesondere sollte im Interesse einer nachprüfbaren, glaubwürdigen, wissenschaftlich zuverlässigen und transparenten Verbraucherinformation eine Gleichbehandlung staatlicher wie privatwirtschaftlicher Nachhaltigkeitssiegel hinsichtlich der Zertifizierung sichergestellt werden.

Grenzen der Vergleichbarkeit berücksichtigen: In der Agrar- und Ernährungswirtschaft gibt es einen Trend, Produkte auf der Grundlage von Umweltinformationen zu vergleichen. Ein solcher Vergleich kann auch dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck von Produkten zu verbessern, wenn er gut und glaubwürdig durchgeführt wird. Der Vergleich kann für ein und dasselbe Produkt im Laufe der Zeit, für verschiedene Produktrezepte, für verschiedene Produkte in einem Regal usw. durchgeführt werden. Um einen angemessenen und zuverlässigen Vergleich zwischen Produkten zu gewährleisten, müsste das Verbraucherverhalten beim Kauf von Lebensmitteln und Getränken nach dem ökologischen Fußabdruck in Übereinstimmung mit bspw. der PEF-Methode berücksichtigt werden. Gegenwärtig gibt es unzureichende Kenntnisse über die angemessene Modellierung und Bewertung des Verbraucherverhaltens im Zusammenhang mit dem ökologischen Fußabdruck. Die Politik muss bei der Ausgestaltung von Mindestanforderungen für freiwillig-verpflichtende Nachhaltigkeits- kennzeichnungen zwingend die derzeitigen Grenzen der Vergleichbarkeit von ökologischen Fußabdrücken von Lebensmitteln und die eingeschränkte Datenverfügbarkeit berücksichtigen.

Verbesserung von Methodik und Datenverfügbarkeit zur Klimabilanzierung notwendig: Die Messung der Klimaauswirkungen von Prozessen in der Lebensmittelkette ist für die Ernährungsindustrie nicht nur relevant, um Einsparziele von Emissionen und Ressourcen zu erkennen, sondern auch um die eigene Klimabilanz glaubhaft gegenüber Verbrauchern zu kommunizieren. Die Erstellung der Klimabilanz einzelner Produkte ist kostenintensiv und erfordert umfassende und belastbare Daten sowie einheitliche und damit vergleichbare Berechnungs- methoden, die gleichzeitig individuelle Besonderheiten von einzelnen Produkten nicht vernachlässigen dürfen. Die Ernährungsindustrie unterstützt eine einheitliche Berechnung der Klimabilanz sowie deren freiwillige Kommunikation gegenüber dem Verbraucher unabhängig von der Verpackung. Damit und bevor der EU-Umweltfußabdruck (PEF) zukünftig eine Basis für einheitliche Berechnungen bilden kann, muss weiter an einer Anwendbarkeit für alle Produkte sowie der Vergleichbarkeit geforscht und auch für KMU einfach handhabbare Methoden zur Verfügung gestellt werden. Auch muss für eine flächendeckende Anwendung des PEF bzw. von Ökobilanzen der Staat bei der Bereitstellung von verlässlichen Sekundärdaten (über entsprechende EU-weit harmonisierte Datenbanken) unterstützen.

Bildung bleibt elementare Voraussetzung für nachhaltige Konsummuster: Ferner bleibt festzuhalten, dass die Befähigung zu einem nachhaltigeren Konsum nicht nur durch Regulierung von Verbraucherinformationen, sondern vorrangig auch durch Verbraucherbildung gefördert werden muss. Die Vermittlung entsprechender Kenntnisse muss insbesondere in den schulischen Lehrplänen vorgesehen werden. Ergänzende politische Maßnahmen zur Verbraucherbildung zu nachhaltigerem Konsum erachtet die Branche daher als zielführend.