Stellungnahme zum Memorandum des US-Präsidenten über gegenseitigen Handel und Zölle und mögliche Reaktionen der EU

Berlin, 27.02.2025

Die deutsche Ernährungsindustrie unterhält enge Handelsbeziehungen zu den USA. Die USA sind außerhalb der EU der wichtigste Lieferant von Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen für die Weiterverarbeitung in unserer Industrie (jährliches Importvolumen von 3 Mrd. Euro) und der zweitgrößte Exportmarkt außerhalb der EU (jährliches Exportvolumen von rund 2,5 Mrd. Euro). Damit haben die USA im Bereich Landwirtschaft und Ernährung einen deutlichen Handelsüberschuss, sprich eine deutlich positive Handelsbilanz gegenüber Deutschland. Die deutschen Lebensmittel- und Getränkeverarbeiter sind bei vielen Waren auf die Importe aus den USA angewiesen, um die Anforderungen an Menge, Qualität und Preis ihrer Produktion zu erfüllen. Der große Importanteil der USA in vielen Warengruppen kann auf dem Weltmarkt nicht ersetzt werden. Gleichermaßen sind die USA für die exportierenden Betriebe der Ernährungsindustrie ein wichtiger Absatzmarkt und Ertragsstütze.

Die BVE ist daher zutiefst besorgt darüber, dass die gut etablierten Handelsbeziehungen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie mit den USA erheblich durch das vom US Präsidenten angekündigte Memorandum über gegenseitigen Handel und Zölle sowie mögliche Reaktionen der EU verschlechtert werden könnten. Es ist für die BVE grundsätzlich inakzeptabel, wenn Handelsstreitigkeiten anderer Industriesektoren auf dem Rücken der Lebensmittelhersteller ausgetragen werden. Es liegt in der Verantwortung der Politik daraus entstehende Schäden zu kompensieren. Sanktionsspiralen sind zu unterbinden, da sie ganze Lieferketten bedrohen können. Die EU Kommission muss daher verhindern, dass Zollerhöhungen im Rahmen dieser reziproken US Handelspolitik auf eine breite Palette von landwirtschaftlichen und verarbeiteten Lebensmitteln eingeführt werden. Aufgrund der Bedeutung der USA als Agrar- und Lebensmittellieferant für unsere Unternehmen hätte jede Erhöhung der Einfuhrzölle schwerwiegende Auswirkungen auf die Lieferketten und würde insbesondere die heimische Lebensmittel- und Getränkeproduktion beeinträchtigen. Diese Entwicklungen werden durch einen wahrscheinlichen Anstieg der Preise für die mit Strafzöllen belegten Waren auf den internationalen Märkten noch verstärkt werden. Dies wird sich für die Verbraucher in Bezug auf Preise und Vielfalt insgesamt negativ auswirken. Zumindest Nachteile, die der Ernährungsindustrie durch die Einführung von EU-Zöllen als Gegenmaßnahme entstehen, sollten durch Ausgleichszahlungen in der EU kompensiert werden. Große Sorge bereiten der Ernährungsindustrie auch die angekündigten reziproken Zollsätze der USA, die auch auf Lebensmittel erhoben werden könnten. Für viele wichtige EU-Exportprodukte in die USA erhebt die EU sehr viel höhere Einfuhrzollsätze als die USA dies tun. Hinzukommen in der EU noch zusätzliche Aufschläge und Abgaben. Sollten die USA EU Lebensmittelexporte mit höheren Einfuhrzöllen belegen, würde dies eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Lebensmittel- und Getränkeexporteure auf dem US-Markt und rückläufige EU Exporte bedeuten.

Die folgenden Einfuhrprodukte der deutschen Lebensmittel- und Getränkeindustrie würden durch höhere Zölle auf US-Importe erheblich geschädigt und sollten von EU-Gegenmaßnahmen ausgeschlossen werden:

  • Fisch und Fischereierzeugnisse (03011100 bis 03075200)
  • Gelatine (HS Code 3503) und Kollagen (HS Code 3504)
  • Pistazien (08025200 und 20081913) – es gibt nur den Iran als alternativen Lieferanten
  • Getrocknete Weintrauben (08062090 und 08029085)
  • Erdnüsse (12024100, 12024200 und 20081191)
  • Mandeln (20081913, 08021290, 0802220 und 08062030)
  • Cranberries (20089999)
  • Nüsse und andere Samen, vor allem Walnüsse (20081919)
  • Früchte und andere essbare Pflanzenteile (20089999)
  • Linsen (07134000)
  • Kichererbsen (07132200)
  • Orangensaft (20091200 ..)
  • Erdnussbutter (20081110)
  • Mais (10059000) und Maisprodukte
  • Kidneybohnen (07133310)
  • Rundkornreis (10063021 ..)
  • Bourbon Whiskey (22083011 ..)

Die EU muss auch berücksichtigen, dass in bestimmten Teilsektoren bereits beträchtlich hohe Wertzölle für die EU-Einfuhr wichtiger Waren mit Ursprung in den USA bestehen. Hier hätte eine zusätzliche Erhöhung der Zölle schwerwiegende negative Auswirkungen auf die wertschöpfenden Sektoren in Deutschland.

Um Stabilität und Vorhersehbarkeit zu wahren, fordert die BVE die EU auf, mit den US-Partnern rasch eine Lösung für einen offenen transatlantischen Handel zu finden. Darüber hinaus fordern wir die EU auf, jede weitere Eskalation der Handelsspannungen auf Sektoren und Branchen zu vermeiden, die nicht Gegenstand des ursprünglichen Streits sind, und daher alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse und verarbeiteten Lebensmittel von potentiellen Strafzolllisten auszuschließen. Auf keinen Fall dürfen die Gegenmaßnahmen der EU das bestehende Memorandum of Understanding über Rindfleisch in Frage stellen.

Sollte die EU an der Einführung von Zöllen auf US-Agrar- und Lebensmittelimporte festhalten, muss sie eine zweijährige Übergangsfrist einhalten, um bestehende Lieferverträge nicht zu gefährden und den deutschen Verarbeitern Zeit zu geben, gleichwertige Lieferketten zu erkunden.

Aus Sicht der BVE sollten nachhaltige Bestrebungen zum Abbau und zur Vermeidung von nichttarifären und regulatorischen Handelshemmnissen in den Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA hohe Priorität haben. Insbesondere im Agrar- und Lebensmittelbereich sollten internationale Standards berücksichtigt und ein risikobasierter Ansatz in den jeweiligen Systemen zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit verfolgt werden.