Fragebogen der Monopolkommission zur Vorbereitung des Sondergut- achtens zur Lebensmittellieferkette

Die Monopolkommission bittet um Ihre Stellungnahme bis zum 30.03.2025 zur Wettbewerbsentwicklung in der Lebensmittellieferkette. Sollten für Sie nicht alle Fragen gleichermaßen relevant sein, so können Sie sich gerne nur zu ausgewählten Fragen äußern. Selbstverständlich können Sie auch zu weiteren Themen Stellung nehmen, die aus Ihrer Sicht von Interesse sind.

Als vertraulich zu behandelnde Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind gesondert zu kennzeichnen.

I. Struktur der Lebensmittellieferkette

  1. Halten Sie eine grobe Einteilung der Lebensmittellieferkette in die Warengruppen Ackerbau, Obst & Gemüse, Fleisch und Milch zur Analyse der Wettbewerbsverhältnisse In der Lieferkette für sinnvoll?

Man kann in der Lebensmittellieferkette nach Warengruppen differenzieren. Wir halten die oben genannte Einteilung jedoch für unvollständig, da wesentliche Warengruppen hier fehlen. Eine mögliche Einteilung der verschiedenen Warengruppen aus Sicht der Ernährungsindustrie nehmen wir an vielen Stellen folgendermaßen vor:

  • Fleisch und Fleischprodukte
  • Milch und Milchprodukte (ohne Speiseeis)
  • Backwaren
  • Süßwaren, Dauerbackwaren und Speiseeis
  • Alkoholische Getränke
  • Verarbeitetes Obst und Gemüse
  • Fertiggerichte, sonstige Nahrungsmittel
  • Erfrischungsgetränke und Mineralwasser
  • Tiernahrung
  • Mühlen und Stärke
  • Öle und Fette
  • Kaffee und Tee
  • Würzen und Soßen
  • Fisch und Fischprodukte
  • Zucker
  • Teigwaren

Die Funktionsweisen der Lieferketten und des Wettbewerbs sind hierbei für alle Gruppen in großen Teilen über die verschiedenen Wertschöpfungsstufen hinweg ähnlich, sektorspezifische Besonderheiten mögen aber gegeben sein.

2. Für jede der unter 1. genannten Warengruppen: Wer sind die Hauptakteure und was sind die Hauptwertschöpfungsstufen in der jeweiligen Lieferkette in Deutschland? Auf welcher Stufe der jeweiligen Lieferkette werden Ihrem Eindruck nach die höchsten Gewinne bzw. Umsätze erzielt?

Landwirtschaft, Großhandel, weitere Verarbeitung, LEH Einzelhandel (je nach Produkt).

Gewinn ist nicht mit dem Umsatz gleichzusetzen und aufgrund der berechtigten begrenzten bilanziellen Offenlegungspflichten für Unternehmen, herrscht keine Transparenz über die Gewinne in der Lebensmittellieferkette, vor allem nicht produktspezifisch. Zudem ergeben sich aus der verschiedenen Wertschöpfungstiefe der Wertschöpfungsstufen und Warengruppen auch berechtigterweise unterschiedliche Margen. Relevanter als eine Gewinnbetrachtung scheint die Hinterfragung eines funktionierenden Wettbewerbs innerhalb und zwischen den einzelnen Wertschöpfungsstufen. Hierbei erscheint insbesondere die Betrachtung der Konzentrationsgrade auf der Nachfrageseite relevant. Landwirtschaft und Ernährungsindustrie erfahren hier vor allem durch einen stark konzentrierten Lebensmitteleinzelhandel als wichtigster Zugang zum Endverbraucher einen hohen Wettbewerbsdruck.

3. Wie unterscheidet sich Ihr Absatzmarkt für Lebensmittel in Deutschland von anderen Märkten in Europa oder weltweit? Welche Rolle spielen europa- oder weltweit organisierte Lieferketten und international tätige Abnehmer und Einkaufskooperationen?

Die Konzentrationsproblematik des Lebensmitteleinzelhandels zeigt sich in den meisten Ländern Europas ähnlich stark. Zusätzlich dazu nehmen wir mehr europäische Einkaufsallianzen des Lebensmitteleinzelhandels wahr, welche die Verhandlungsmacht des Einzelhandels weiter stärken und noch mehr Druck auf die Vorlieferanten ausüben. Faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen sind hier ebenfalls wichtig.
Der zweitwichtigste Absatzmarkt für Lebensmittel ist der Außer-Haus Markt, hier ist über den Großhandel und die zahlreichen Akteure des Außer-Haus-Marktes jedoch auch eine hohe Zahl von Wettbewerbern und Einkaufskooperationen sind seltener.
Dritter Absatzkanal für Lebensmittel ist der Export, der häufig zu niedrige Verkaufspreise im Inland kompensieren und Erträge stützen muss. Beim Export sind ebenso zahlreiche Zwischenakteure in den Lieferketten vorhanden, exportierende Unternehmen gehen in der Regel über ausländische Importeure und selten über den Direktvertrieb an Endkunden im Ausland.

4. Wie schätzen Sie die Bedeutung des Online-Lebensmitteleinzelhandels heute und in Zukunft ein? Welche Marktanteile erwarten Sie? Erwarten Sie hier Markteintritte, die den Wettbewerb, im Lebensmitteleinzelhandel in Zukunft verschärfen könnten?

Im Jahr 2024 wurde im deutschen Online-Handel ein Umsatz von rund 3,9 Milliarden Euro mit Lebensmitteln erzielt. Insbesondere im Jahr 2021 hat der Umsatz im OnlineHandel mit Lebensmitteln einen Sprung gemacht. So steigerte sich der Online-Umsatz im Jahr 2021 um mehr als eine Milliarde Euro gegenüber dem Vorjahr. Trotz des Bedeutungsgewinns des Online-Lebensmittelhandels werden Lebensmittel nach wie vor in erster Linie über den stationären Einzelhandel gekauft. Hintergrund dürften insbesondere die tiefsitzenden Gewohnheiten der Verbraucher, Dinge des täglichen Bedarfs ohne große Planung spontan zu kaufen, aber auch an der fehlenden Möglichkeit, die Frische der Produkte vor dem Kauf überprüfen zu können. Davon ausgehend gehen wir bis auf Weiteres davon aus, dass sich die Bedeutung dieses Geschäftsfeldes nicht signifikant verändern wird.

5. In welchen Lieferketten und in welcher Form sehen Sie i) die größten bisherigen Erfolge, ii) den größten Nachholbedarf und iii) das größte Potential für Digitalisierung und den Einsatz von künstlicher Intelligenz?

Digitalisierung und KI sind für alle Bereiche der Lebensmittellieferkette relevant. Als branchenübergreifende Technologie trägt künstliche Intelligenz in allen Bereichen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie dazu bei, Prozesse zu optimieren, die Produktivität zu steigern und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das wichtigste Element für den aktuellen KI-Durchbruch sind die riesigen Datenmengen, die heute in der Produktion verfügbar sind und die mit herkömmlicher Programmierung, bei der ein klar definierter Algorithmus verarbeitet wird, nicht in nützliche Erkenntnisse umgewandelt werden können.
Erfahrungsgemäß bewegen sich die die Akteure in den einzelnen Branchen dies betreffend mit unterschiedlicher Geschwindigkeit.

II. Verhandlungen und Verträge

6. Im Schweine- und Rindermarkt werden zentrale Preisempfehlungen durch die Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG) festgelegt: Welche Rolle spielen diese Preisempfehlungen bei den Verhandlungen zwischen Landwirten und ihren Abnehmern? Warum haben sich solche Preisempfehlungen nicht auch in anderen Agrarsektoren durchgesetzt?

Entfällt

7. Die Satzungen oder Verträge der meisten Molkereigenossenschaften sehen gegenwärtig vor, dass die Genossenschaftsmitglieder verpflichtet sind, ihre gesamte Produktion an die Genossenschaft abzuliefern und die Genossenschaft verpflichtet ist, die gesamte Produktion abzunehmen. Sollten diese Regelungen geändert werden? Warum?

Entfällt

8. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation und Entwicklung der letzten 20 Jahre (oder so weit zurück wie Ihnen bekannt ist) der Lebensmittellieferkette in den Ihnen bekannten Branchen (z.B. Ackerbau, Obst & Gemüse, Fleisch und Milch) im Hinblick auf die Verhandlungsmacht einzelner Akteure und Abhängigkeit zwischen den einzelnen Wertschöpfungsstufen von der Erzeugung bis zum Endkunden?

In den letzten Jahrzehnten hat insbesondere der deutsche Lebensmitteleinzelhandel (LEH) einen fortschreitenden Konzentrationsprozess durchlaufen. Während 1999 noch acht große Handelsunternehmen zusammen einen Marktanteil von 70 Prozent bei den sogenannten „Fast Moving Consumer Goods“ erzielten, kommen die vier größten Lebensmitteleinzelhändler (EDEKA, REWE, ALDI, SCHWARZ), die ein Oligopol darstellen, in Deutschland inzwischen auf einen gemeinsamen Marktanteil von rund 85 Prozent. Aufgrund dieses Konsolidierungsprozesses sind die Hersteller von Konsumgütern zunehmend darauf angewiesen, bei den verbleibenden, immer größer werdenden Unternehmen des LEH dauerhaft gelistet zu sein, um die Endverbrauchermärkte zu erreichen.

9. Welche Eigenschaften von Akteuren und welche Marktgegebenheiten führen dazu, dass Verhandlungsmacht zwischen Verhandlungspartnern in der Lebensmittellieferkette besteht? Durch welche konkreten Verhaltensweisen und Verhandlungspraktiken zeigt sich Verhandlungsmacht entlang Ihrer Lieferkette? Welcher Akteur in Ihrer Lieferkette hat die größte Verhandlungsmacht?

Die Verhandlungsmacht eines Vertragspartners hängt im Wesentlichen von der Verhandlungsstärke der Gegenseite ab. Im Verhältnis Industrie / LEH wird die Beschaffungsseite des LEHs von einem marktbeherrschenden Oligopol der führenden LEHGruppe dominiert. Dies führt dazu, dass die KMU-geprägtem Unternehmen der Lebensmittelindustrie in der Regel keine Ausweichmöglichkeiten haben, wenn sie eine Listung in der genannten Gruppe verlieren. Darüber hinaus können diese Händler über ihre korrespondierenden Eigenmarkenprodukte zusätzlichen Druck auf die Verfügbarkeit der begrenzten Regalflächen ausüben und die Lieferanten zu Zugeständnissen zwingen. Daraus resultiert, dass die marktstarken Händler gegenüber ihren Lieferanten in der Regel Konditionen durchsetzen, die lieferantenseitig als ökonomisch nicht nachhaltig qualifiziert werden.
Ein Ausdruck dieser Verhandlungsmacht besteht darin, dass für die Aufnahme von Vertragsverhandlungen seitens des Handels regelmäßig Vorbedingungen gemacht werden, die insbesondere die Einbindung von Einkaufskooperationen und -kontoren, das Akzeptieren von Eingangs- bzw. Vorabkonditionen, Mindestzahlungsziele, logistische Zusatzleistungen und kurzfristige Stornierungsmöglichkeiten zum Gegenstand haben.

10. Wie laufen Vertragsverhandlungen zwischen Agrarwirtschaft oder Lebensmittelherstellern und ihren Abnehmern üblicherweise ab? Wie oft und zu weichen Anlässen werden Verträge (neu) verhandelt. Wie flexibel ist die Festsetzung von Preisen und Mengen in den Verträgen und wie oft werden diese angepasst? Sehen Sie in den Verhandlungen und Lieferbeziehungen in größerem Umfang Rechtsverstöße (z.B. gegen das AgrarOLkG)? Wenn ja, können Sie Beispiele (gerne generell und anonymisiert) nennen?

Zu differenzieren ist, ob es sich im Einzelfall um Eigen- oder Handelsmarken-herstellung für den LEH, in denen die Ernährungsindustrie als „verlängerte Werkbank“ Auftragsfertigung betreibt, oder die Produktion von Herstellermarken handelt.
Bei den Herstellermarken liegen Liefer- bzw. Kaufverträge zugrunde, die i.d.R. an Vorbedingungen geknüpft werden (vgl. Ziffer 9). Die Belieferung erfolgt in der Regel auf der Grundlage von Jahresgesprächen, in denen die Konditionen, sofern sie nicht Gegenstand der Vorbedingungen sind, festgelegt werden.
Branchenbefragungen (vgl. Lademann / Kleczka, Marktbeherrschung im LEH? Seite 76 ff.) belegen, dass die Verhandlungen zwischen den Top 4 des LEH und ihren Lieferanten, i.d.R. nicht auf Augenhöhe stattfinden, seitens dieser LEH-Unternehmen in zahlreichen Fällen Drohungen ausgesprochen und Sanktionen durchgeführt werden. Nahezu 90 Prozent der befragten Hersteller hat in diesem Kontext angegeben, dass sie von dieser Spitzengruppe abhängig sind und, mangels alternativer Absatzmöglichkeiten, eine fehlende Einigung ihre wirtschaftliche Existenz bedrohen würde.
Nachverhandlungen zugunsten der Lieferanten finden in der Regel nicht statt, sondern nur zu Gunsten der Handelskunden. SolcheVerhandlungen werden regelmäßig von den Handelsunternehmen initiiert, um durch entsprechende Nachforderungen zusätzliche Konditionenvorteile zu erzielen.

11. Bei den Vertragsverhandlungen gibt es einen Ertragsüberschuss, der zwischen Ihnen und Ihren Vertragspartnern aufgeteilt wird. Wie wird dieser Überschuss im Durchschnitt prozentual zwischen Ihnen- und Ihren Vertragspartnern aufgeteilt? Nennen Sie bitte die nachgelagerte(n) índustrie(n), die Sie berücksichtigen (z. B. Lebensmittelhersteller, Großhandel, Lebensmitteleinzelhandel).

Die Ernährungsindustrie geht Kontrakte mit der Landwirtschaft sowie Kontrakte mit dem Lebensmitteleinzelhandel ein. Vertragslaufzeiten mit der Landwirtschaft sowie dem LEH müssen nicht Deckungsgleich sein. Faktoren wie unterschiedliche Risiken, unterschiedliche Wertschöpfung sowie individuelle Vertragsbindungen usw. ergeben individuelle Erträge.

12. Wie werden die Verkaufspreise in Ihrer Branche auf Ihrer Wertschöpfungsstufe gebildet? Welches sind die wichtigsten Determinanten der Absatzpreise? Wie stark ist in ihrer Branche der Einfluss des Weltmarktpreises auf den lokalen Preis?

Die Verkaufspreise der Ernährungsindustrie werden in den meisten Fällen mit dem Lebensmitteleinzelhandel ausgehandelt. Die Vertragsbindungen sind hier längerfristig. Die wichtigsten Einflussgrößen auf den Verkaufspreis sind u.a.: Personalkosten, Rohstoffkosten, Materialkosten, Energiekosten, Kosten der Logistik, Finanzierungskosten und Kosten bürokratischer Anforderungen sowie Produktentwicklungskosten (einschließlich Innovationen). Die Kosten einer jeden Determinante ist schwankend und beeinflusst die Verkaufspreise der Ernährungsindustrie. Ebenfalls ist die Branche dem Einfluss schwankender Weltmarktpreisen bei Agrarrohstoffen (sowie Energierohstoffe) ausgesetzt, denn viele Agrarrohstoffe werden global gehandelt und die Preisentwicklung sowohl an den globalen als auch an regionalen Agrarrohstoffmärkten folgt den Angebots- und Nachfrageschwankungen.

13. Können Sie Kostenerhöhungen auf Ihrer Beschaffungsseite an Ihre Abnehmer weiterreichen?

Grenz- bzw. variable Kosten (z.B. höhere Energie- und Rohstoffkosten) können industrieseitig in den weitaus meisten Fällen nicht oder nur unterproportional gegenüber den großen Akteuren des LEHs durchgesetzt werden. Noch geringer ist die Erfolgsquote im Bereich der Fertigungslöhne und Fix-/Gemeinkosten (vgl. Lademann/Kleczka, Seite 85).

14. Ist die Marge der Landwirte für das gleiche Produkt bei verschiedenen Vertragspartnern (Lebensmitteleinzelhandel/Großhandel/Hersteller) ähnlich?

Die Margen der Landwirte sind uns nicht bekannt. Die Margen der verschiedenen
Vertragspartner sind mitunter auch nicht vergleichbar, da hier unterschiedliche Prozesse der Wertschöpfung stattfinden oder auch unterschiedliche Warenqualitäten gehandelt werden.

15. In der Diskussion um eine faire Ausgestaltung der Lebensmittellieferkette wird gelegentlich auf eine angeblich dominierende Position des Lebensmitteleinzelhandels verwiesen. Dieser sei in der Lage, vor allem von Landwirten und kleineren Lebensmittelherstellern unfair niedrige Preise zu verlangen. Landwirte seien dagegen nicht in der Lage, Kostensteigerungen an ihre Abnehmer weiter zu geben. Stimmen Sie dieser These zu? Falls ja, worauf ist die Verhandlungsmacht des Lebensmitteleinzelhandels zurückzuführen? Bei welcher Warengruppe hat der Lebensmitteleinzelhandel die größte Verhandlungsmacht? Und wo die geringste?

Strukturell ist die Beschaffungsseite des LEH von einem marktbeherrschenden Oligopol der führenden LEH-Gruppe geprägt. Nicht nur einige wenige, sondern die Mehrheit der Lieferanten ist von den vier größten Unternehmensgruppen einseitig abhängig, ohne selbst über kompensierende Gegenmachtpositionen zu verfügen. Aus dieser Handelskonzentration resultiert eine entsprechende Verhandlungsmacht gegenüber den Lieferanten, die zu einem Konditionendruck führt. Forciert wird dieser zusätzlich durch die Expansion der Handelsmarken. Davon sind grundsätzlich alle Warengruppen betroffen. Zu berücksichtigen ist in diesem Kontext ferner, dass sich diese mit der Nachfrage- bzw. Verhandlungsmacht der führenden LEH-Gruppe verbunden Konsequenzen über die sog. „Kaskadeneffekte“, die auch in den Erwägungsgründen (Ziffer 7) der Richtlinie (EU) 2019/633) – UTP-Richtlinie – beschrieben werden, auf die gesamte Lebensmittellieferkette auswirken. Damit wird das LEH-seitige Argument, er würde nur einen geringen Umfang der landwirtschaftlichen Produkte direkt beziehen, relativiert.

16. In welchen Produktkategorien spielen Eigenmarken des Lebensmitteleinzelhandels eine besonders große Rolle? Welche Rolle spielen die Eigenmarken des Lebensmitteleinzelhandels bei den Vertragsverhandlungen zwischen Lebensmittelherstellern und Lebensmitteleinzelhandel?

Die Konkurrenzbeziehung zwischen Herstellermarken und Handelsmarken hat in den letzten Jahren an Intensität deutlich zugenommen: Während früher Handelsmarken hauptsächlich in Discountern wie Aldi oder Lidl zu finden waren, stehen sie heutzutage auch in Vollsortiments-Supermärkten wie z. B. Edeka oder Rewe in den Regalen. Darüber hinaus hat der LEH das Angebot an Eigen- bzw. Handelsmarken in den letzten Jahren stark ausdifferenziert. Handelsmarken sind nicht mehr einfach billige Alternativen zu Herstellermarken. Vielmehr bieten Lebensmitteleinzelhändler mit ihren Handelsmarken eine breite Palette an Artikeln aus verschiedenen Qualitäts- und Preisklassen, und zwar in vielen verschiedenen Warengruppen und Produktkategorien an. Zudem gibt es Handelsmarken für Bio-Produkte, Produkte aus der Region, vegetarische oder „Free from“-Produkte. Damit verfügt der LEH über ein sehr breit aufgestelltes Sortiment an Handelsmarken, das sich nicht nur auf Imitate der Herstellermarken beschränkt. Diese erlaubt es ihm, die unterschiedlichsten Konsumentengruppen anzusprechen und die Herstellermarken in allen möglichen Marktsegmenten herauszufordern. Der Marktanteil von Handelsmarken im deutschen LEH liegt bei rund 42,2 Prozent (Stand 2022).
Eigen- bzw. Handelsmarken haben aus Sicht der Lebensmitteleinzelhändler verschiedene Funktionen. Sie erlauben es den Handelsunternehmen z. B. die Sortimentslücken zu schließen und ihr Produktangebot von dem der anderen Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen abzugrenzen, um die Kunden an sich zu binden. Jeder Kunde, der die Eigenmarken eines bestimmten Händlers erwerben möchte, kann dies nur in dessen Verkaufsräumen umsetzen, da andere Handelsunternehmen diese Marke nicht führen. Handelsunternehmen verbinden mit einem höheren Anteil an Handelsmarken zudem das Ziel einer höheren Umsatzrendite. Darüber hinaus stärken erfolgreiche Eigen- bzw. Handelsmarken die Verhandlungsposition der Lebensmitteleinzelhändler gegenüber den Anbietern von Herstellermarken. Hinzu kommt, dass der LEH durch die Fertigung seiner Handelsmarkenprodukte einen vertieften Einblick in die
Kostenstrukturen der Industrie erhält.

17. Welche Rolle spielt die zunehmende vertikale Integration des Lebensmitteleinzelhandels (z.B. durch den Aufkauf oder Aufbau eigener Lebensmittelhersteller oder Landwirte) oder ähnliche Ausgestaltungen (z.B. Exklusivverträge zwischen Lieferanten und Lebensmitteleinzelhandel) in den Vertragsverhandlungen zwischen Lebensmittelherstellern und Lebensmitteleinzelhandel?

Die beschriebene Konzentration im LEH wird ergänzt durch die Expansion der Handels- bzw. Eigenmarken des LEH sowie dessen zunehmende Vertikalisierung. Letztere erfolgt durch den Aufbau eigener bzw. Erwerb bestehender Fertigungskapazitäten. Mit dieser Vertikalisierung ist zudem die begründete Gefahr des Verkaufs unter Herstellungskosten verbunden, durch den ebenso unberechtigte Wettbewerbsvorteile herbeigeführt werden, wie durch den Verkauf unter Einstandspreis. Davon werden voraussichtlich nicht nur die weniger markenaffinen Produktgruppen, sondern auch Produktgruppen mit Dominanz von Markenartikeln erfasst werden. Diese Entwicklung kann zu einer weiteren herstellerseitigen Marktbereinigung beitragen.

18. Gibt es Einkaufskooperationen zwischen Landwirten, z. B. beim Kauf von Anlagen und Maschinen? Glauben Sie, dass solche Allianzen zu günstigeren Einkaufspreisen führen könnten?

Entfällt

III. Marktregulierung

19. Allgemein: Welche Maßnahmen seitens der Politik oder der Kartell- und Regulierungsbehörden (BKartA, Landeskartellbehörden, BLE) würden Sie sich wünschen, um den Wettbewerb entlang der Lebensmittellieferkette zu stärken?

Verbesserung des kartellrechtlichen Missbrauchsschutzes und der Fusionskontrolle die Weiterentwicklung des AgrarOLkG sowie eine Begrenzung der länderübergreifenden Einkaufsgemeinschaften des LEH.

20. Wie könnte der Gesetzgeber aus Ihrer Sicht die Position der Milchbauern verbessern? Halten sie beispielsweise eine Regulierung der Vertragsbestimmungen zwischen Milchbauern und Genossenschaften/Industrie für sinnvoll? Sollte der Wettbewerb zwischen verschiedenen Milchabnehmern gestärkt werden? Welche Möglichkeiten gibt es dafür?

Entfällt

21. Die Konzentration des Lebensmitteleinzelhandels und der Nahrungsmittelindustrie ist in den letzten Jahren unter anderem durch Fusionen kontinuierlich angestiegen. Wie beeinflusst dies die Marktmachtverhältnisse entlang der Lieferkette?

Im Hinblick darauf, dass dem LEH-Oligopol und der damit verbunden Nachfrage- und Verhandlungsmarkt rund 6000 Unternehmen aus der KMU-geprägten Ernährungsindustrie gegenüberstehen, werden auch Konzentrationsentwicklungen auf der Lieferantenseite bis auf weiteres nichts an der flächendeckenden Abhängigkeit der Ernährungsindustrie ändern. Entsprechendes gilt für die oben angeführten „Kaskadeneffekte“ und dem damit für die gesamte Lebensmittellieferkette verbundenen Druck. Die Marktmacht des LEH wird sich auf dieser Grundlage weiter ausprägen.

22. Halten Sie die Anwendungspraxis der Zusammenschlusskontrolle des Bundeskartellamtes im Lebensmitteleinzelhandel und in der Nahrungsmittelindustrie für angemessen? Sehen Sie Änderungsbedarf? Wenn ja, welchen?

Die bestehende Handelskonzentration ist in den vergangenen Jahren nicht organisch, sondern vor allem auf der Grundlage von Unternehmenszusammenschlüssen seit den 1990er Jahren erfolgt. Diesen lagen sowohl einzelne Standorte von Händlern als auch ganze Unternehmen zugrunde. Im Ergebnis ist dieses kartellrechtliche Praxis aus Sicht der Ernährungsindustrie unbefriedigend. Durch sie hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der Hersteller, auch in den anderen Bereichen der Lebensmittellieferkette, verschlechtert. Zudem hat sich die Konsumentenwohlfahrt angesichts eines reduzierten Innovationsniveaus und gestiegener Endverbraucherpreise reduziert. Vor diesem Hintergrund besteht Änderungsbedarf. Zum einen muss sichergestellt werden, dass die bestehende Handelskonzentration nicht durch die Genehmigung weiterer Zusammenschlussvorhaben forciert wird. Sofern das bestehende Viereroligopol (EDEKA, REWE, ALDI und Schwarz) als marktbeherrschend eigestuft wird, könnten diese Unternehmen der Missbrauchsaufsicht unterstellt werden. Auf dieser Grundlage wäre es möglich, zukünftige Zusammenschlussvorhaben unter Beteiligung eines Oligopolisten leichter zu untersagen.

23. Landwirte und landwirtschaftliche Vereinigungen sind in erheblichem Umfang von den Beschränkungen des KarteiIverbotes freigestellt (§ 28 GWB, § 6 AgrarOLkG). Hinzu kommt noch die Freistellung vom Kartellverbot für bestimmte Nachhaltigkeitsvereinbarungen (Art. 210a GMO), die nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission vom Dezember 2024 noch ausgeweitet werden soll. Halten Sie diese Regelungen für sinnvoll und angemessen? Tragen sie dazu bei, die Verhandlungsposition der Landwirte gegenüber ihren Abnehmern zu stärken? Sehen Sie Risiken für den Wettbewerb, auch zulasten einzelner Landwirte?

Entfällt

24. Wie können Nachhaltigkeitsthemen (z.B. Klimaschutz, Umweltschutz, Tierschutz, Sozlalstandards) in der Lieferkette gefördert werden? Sind weitere Sonderregeln für Nachhaltigkeitsinitiativen (Kooperationen, Labels, Zertifizierungen etc.) notwendig? Welche Auswirkungen haben solche Initiativen auf den Wettbewerb und die Gestaltung der Lieferkette?

Unternehmen investieren umso mehr in Nachhaltigkeitsthemen, wenn dort Unternehmensrisiken abgebaut, absehbar die Gewinnmargen vielversprechend sind und/oder sich hier neue Zukunfts- und Wachstumsmärkte ergeben. Häufig können die Mehrkosten für Nachhaltigkeitsinvestitionen am Markt aber nicht durchgesetzt werden. Zugleich entsteht ein immer stärkerer Wettbewerb um Nachhaltigkeitsstandards, dies führt dazu, dass Lieferanten der Vertrieb an mehrere Kunden erschwert wird, da die geforderten Nachhaltigkeitsstandards selten von anderen Kunden anerkannt werden.
Labels und Zertifizierungen haben nur eine begrenzte Wirkungskraft auf den Endverbraucher, da auch nur bekannte und etablierte Labels auf den Verbraucher einen Anreiz bzgl. seiner Kaufbereitschaft entfalten können und ggf. auch seine Zahlungsbereitschaft erhöht. Derzeit sehen sich Verbraucher und Verbraucherinnen aber bereits einer Flut von Labels und Zertifizierungen gegenübergestellt. Auch für die Unternehmen entstehen durch weitere Sonderregeln zusätzliche Aufwände bzw. Kosten.

25. Halten Sie die Instrumente des Kartellrechts (insbesondere §§ 19, 20 GWB) und der „Unfair Trade Practices (UTP)“-Regulierung (§§ 10 ff. AgrarOLkG) für ausreichend, um Marktmacht in der Lebensmittellieferkette zu begegnen? Sehen Sie unfaire oder unangemessene Verhaltensweisen von Akteuren der Lebensmittellieferkette, die durch das bestehende Instrumentarium nicht erfasst werden? Welche Rolle spielt die Furcht vor einer Beendigung der Vertragsbeziehung – der „Angstfaktor“ – bei der Rechtsdurchsetzung?

Der „Angstfaktor“ ist auf der Absatzseite der Ernährungsindustrie, wenn es darum geht Rechtspositionen gegenüber dem LEH durchzusetzen, von erheblicher Bedeutung. In der Regel wird lieferantenseitig aufgrund des „Ross- und Reiterproblems“ davon Abstand genommen, Ansprüche gegen den Willen des Kunden durchzusetzen, um wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden, insbesondere den Verlust von Listungen. Hintergrund ist das enge Oligopol, dass die vier großen Unternehmen des LEHs bilden, und die damit verbundene Konzentration der Absatzmöglichkeiten. Sofern diese von einem Handelspartner beschränkt werden oder gar entfallen, können sie von betroffenen Herstellern in der Regel nicht substituiert werden.Vor diesem Hintergrund bedarf es einer Stärkung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht, insbesondere in Abhängigkeitssituationen. Dies betreffend sollte eine gesetzliche Vermutungsregelung eingeführt werden die besagt, wann von einer nachfragebedingten Abhängigkeit auszugehen ist. Darüber hinaus wäre diese Missbrauchsaufsicht mit einem Verbandsklagerecht zu flankieren, da das bestehende Klagerecht von Anbietern vor dem Hintergrund der „Ross- und Reiterproblematik“ in der Regel ins Leere geht.
Entsprechendes gilt für das AgrarOLkG, das auf der Grundlage der in 2023 vorgenommenen Evaluierung bislang nur unzureichend weiterentwickelt worden ist (Novelle 2024). Zwar hat das AgrarOlkG, dies belegt der Evaluierungsbericht des BMELs, teilweise zu positiven Effekten geführt. Gleichwohl ist jedoch festzustellen, dass zahlreiche Lieferanten, das betrifft insbesondere das Verhältnis Industrie / LEH, nach wie vor mit unfairen Handelspraktiken konfrontiert werden. Als unfair, dies belegt der Evaluierungsbericht des BMELs, werden industrieseitig vor allem einzelne vom LEH zugrunde gelegte Vertragsstraferegelungen und deren Anwendungen empfunden. Gegenstand der zugrundeliegenden Vertragsstraferegelungen ist unter anderem die Einhaltung von Lieferquoten, die sich aus Pünktlichkeit und
Vollständigkeit der Lieferungen zusammensetzen. Vielfach werden Liefertermine so vorgegeben, dass deren Einhaltung nicht möglich ist bzw. von den Lieferanten nicht beeinflusst werden kann, weil beispielsweise externe Frachtführer eingesetzt werden, häufig auch auf konkrete Anweisung der Handelshäuser. Vor diesem Hintergrund werden Rechnungen oftmals ohne Rücksprache mit den Lieferanten in Höhe der vorgesehenen Pönale gekürzt. Die Lieferanten haben keine Möglichkeit dem entgegenzuwirken, sondern sind darauf angewiesen, jeweils mit einem erheblichen zusätzlichen Aufwand zu versuchen auf Korrekturen, d.h. eine ordnungsgemäße Bezahlung ihrer Lieferungen hinzuwirken. Vor diesem Hintergrund entsteht häufig der Eindruck, dass diese Vertragsstrafen handelsseitig mit System genutzt werden, um die Beschaffungskosten zu senken. Zusammengefasst: Solche Regelungen sind dann als missbräuchlich zu werten, wenn es nicht in der Macht des Lieferanten steht, den Eintritt einer Vertragsverletzung zu vermeiden oder wenn die Höhe einer Pönalen in keinem angemessenen Verhältnis zur Lieferung steht oder wenn der LEH ohne weitere Auseinandersetzung mit dem Lieferanten dessen Rechnungen kürzt.
Die UTP-RL sollte als EU-weit unmittelbar geltende Verordnung ausgestaltet werden, die keine Umsatzschwellen enthält. Dann könnten auch marktmächtigere Unternehmen effektiv gegen einzelne Handelspraktiken gerichtlich vorgehen und so auch für KMU bessere Bedingung schaffen.

26. Welche Akteure in der Lebensmittellieferkette sind aus Ihrer Sicht am stärksten von Regulierung und Bürokratie betroffen? Können Sie uns Beispiele für aus Ihrer Sicht unnötige oder redundante Regelungen oder Bürokratie nennen? Haben Regulierung und Bürokratie auch Einfluss auf den Wettbewerb im Lebensmittelsektor und in der Landwirtschaft? Falls ja, wie macht sich dies bemerkbar?

Die Belastung durch Bürokratie und Regulierung betrifft die gesamte Lebensmittellieferkette. Eine aktuelle Branchenbefragung in der Ernährungsindustrie hat zu folgendem Befund geführt: Über 95 Prozent der Unternehmen berichten von steigenden bürokratischen Anforderungen in den letzten drei Jahren. bei gut 4 Prozent blieben sie unverändert. Ein Rückgang wurde von keinem Unternehmen festgestellt. Unterscheidet man zwischen kleinen, mittleren sowie großen Unternehmen stellt man fest, dass insbesondere bei kleinen (22,0 Prozent) und mittleren Unternehmen (18,3 Prozent) ein großer Anteil die derzeitigen bürokratischen Belastungen sogar als „existenzgefährdend“ einstuft. Beispielsweise bewerten Großunternehmen den direkten Bürokratieaufwand zur Einhaltung der CSRD-Berichtspflichten zu 91 Prozent als „übermäßig belastend“.
Die CSRD-Berichtspflichten erfordern von Großunternehmen der Ernährungsindustrie deutlich mehr Personal: Über 40 Prozent benötigen 1-3 zusätzliche Mitarbeiter, 13 Prozent sogar mehr als fünf Vollzeitkräfte. Mittlere Unternehmen bewältigen den zusätzlichen Aufwand meist mit bis zu einer Vollzeitstelle. Über 21 Prozent benötigen bis zu zwei, und gut 3 Prozent mehr als drei zusätzliche Vollzeitkräfte. Dies belegt, dass der Bürokratieaufwand mit erheblichen Kosten für die Unternehmen verbunden ist, der die Ertragslage sowie die Wettbewerbsfähigkeit der Hersteller belastet, da die entsprechenden Kosten in der Regel nicht oder nicht umfassend in den Abgabepreisen an den LEH abgebildet werden können.

27. Haben bestimmte Akteure Ihrer Lebensmittellieferkette die Fähigkeit, ihre Bürokratiekosten durch Marktmacht entlang der Lieferkette weiterzugeben? Wenn ja, welche Akteure?

Bürokratiekosten wirken sich vor allem in den Personalkosten aus. Dies betreffend vgl. Ausführungen zu Frage 13. Soweit der Handel von diesen Kosten betroffen ist, wirkt sich dies in den Konditionenverhandlungen aus, d.h. zusätzlicher Verhandlungsdruck gegenüber den Lieferanten.

28. Die Landwirtschaft profitiert in erheblichem Umfang von Subventionen der Europäischen Union, die oft an sehr pauschale Kriterien wie beispielsweise die bewirtschaftete Fläche geknüpft sind. Sind die Landwirte bei Preisverhandlungen in der Lage, die an sie gezahlten Subventionen zu behalten oder werden sie in der Lebensmittellieferkette weitergereicht?

Entfällt

29. Wie könnte das System der Agrarsubventionen in Zukunft umgebaut werden damit Subventionen zielgerichteter eingesetzt werden können?

Entfällt