BVE Stellungnahme zur Gas-Umlage

Gas-Umlage – Wettbewerbsfähigkeit des verarbeitenden Gewerbes sicherstellen

I. Vorbemerkung

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat zu vielfachem menschlichen Leid, aber auch zu wirtschaftlichen Verwerfungen geführt. Dies betrifft insbesondere die Energieversorgung. Russland ist in den vergangenen Wochen und Monaten konsequent dazu übergegangen, Erdgas als politisches Druckmittel einzusetzen. Die Lieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 sind zwischenzeitlich auf 20 Prozent des maximalen Volumens reduziert worden. Das BMWK hat dies zum Anlass genommen, um am 23.06.2022 die Alarmstufe des Notfallplans Gas auszurufen.

Aufgrund der von Russland verursachten Lieferstörungen müssen von betroffenen Gasimporteuren Ersatzbeschaffungen getätigt werden, für die weitaus höhere Beschaffungskosten anfallen, allerdings bei zunächst gleichbleibenden Absatzpreisen. Diese Situation ist auf Dauer nicht tragbar, da mit ihr ein Insolvenzrisiko von Gashändlern und damit die Gefahr von Dominoeffekten in der Lieferkette der Energiewirtschaft verbunden ist.

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber vor kurzem im Rahmen der Novelle des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) in § 26 EnSiG zusätzlich das Instrument einer „saldierten Preisanpassung“ implementiert, um auf eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland und damit verbundene Preisschwankungen reagieren zu können. Ein entsprechender Verordnungsentwurf für eine saldierte Preisanpassung ist am 28.07.2022 vom BMWK vorgelegt worden und soll in Kürze vom Bundeskabinett verabschiedet werden.

Diese Rechtsverordnung sieht vor, dass Gasimporteure ab Oktober 2022 einen Erstattungsanspruch erhalten, um Mehrkosten, die aufgrund der erforderlichen Ersatzbeschaffung für nichtgeliefertes russisches Erdgas entstehen, zu kompensieren. Erstattet werden ab diesem Zeitpunkt – begrenzt auf einen Zeitraum von 18 Monaten – 90 Prozent dieser Mehrkosten. Zur Finanzierung dieser Erstattung erheben die Gasversorger von ihren Abnehmern eine Umlage, die sich voraussichtlich in einem Korridor zwischen 1,5 bis 5 Cent/KWh bewegen wird.

II. Im Einzelnen

1. Belastungen in den Lieferketten der Gasverbraucher im
Auge behalten

Die Corona-Pandemie hat auch die Lebensmittellieferkette beeinträchtigt und neben einem massiven Preisanstieg bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen mitunter zu Verfügbarkeitsproblemen geführt. Es handelt sich um eine Situation, wie sie die Branche seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr erlebt hat. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine und die damit verbundenen Auswirkungen werden diesen Ablauf forcieren. Die jüngste Entwicklung bei den Energiepreisen, vor allem für Gas, belegen dies. Laut einer aktuellen Erhebung des Statistischen Bundesamtes (Stand: Juni 2022) stiegen die Erzeugerpreise der Industrie für Erdgas in einem noch nie dagewesenen Ausmaß seit Erhebung der Daten. Der Index der Erzeugerpreise für Erdgas, bei Abgabe an die Industrie erhöhte sich zum Vorjahreszeitraum, je nach Betrachtungsmonat, um das knapp Drei- bis Vierfache.

Die Konsequenzen dieser Preisentwicklung stellen sich für die KMU-geprägte Ernährungsindustrie wie folgt dar:

  • Die finanziellen Mehrbelastungen können nur bedingt an die Absatzpartner weitergegeben werden. Das gilt insbesondere für den konzentrierten Lebensmitteleinzelhandel.
  • Die Investitionsmöglichkeiten werden beschränkt, auch im Hinblick auf den Transformationsprozess bezüglich einer klimaneutralen Ausrichtung der Ernährungsindustrie.
  • Umrüstungsmöglichkeiten können kurz- und mittelfristig kaum realisiert werden, da die Umstellung der Prozesse Zeit braucht bzw. auch notwendige Anlagenteile nicht verfügbar sind, wie zum Beispiel Ersatzbrenner.
  • Standortverlagerungen in das Ausland spielen in den Überlegungen der Verantwortlichen zunehmend eine Rolle.

2. Außervertragliche Preisanpassung darf nur Ultima Ratio
sein

Es ist zielführend, dass der Gesetzgeber im EnSiG Instrumente vorhält, um die Energieversorgung zu gewährleisten. Preisanpassungen gemäß §§ 24 ff. EnSiG stellen jedoch einen Eingriff in bestehende Preisabsprachen zwischen Gasimporteuren und ihren Abnehmern dar und führen zu Belastungen weiterer Lieferketten. Vor diesem Hintergrund sind zunächst die Möglichkeiten von staatlichen Stabilisierungsmaßnahmen in Betracht zu ziehen, für die § 29 EnSiG eine erleichterte Handhabung vorsieht. Diese Übung wurde auch in der Finanzkrise und der Corona-Pandemie praktiziert. Eine Umlage entsprechender Kosten auf das verarbeitende Gewerbe muss deshalb so lange und weitgehend wie möglich vermieden werden.

3. Bessere Kostenweitergabe auch in anderen Lieferketten
ermöglichen

Den Preisanpassungsrechten gemäß § 24 ff. EnSiG liegt die Überlegung zugrunde, dass sich der zugrunde liegende Liquiditätsbedarf der Gasimporteure nicht durch individuelle vertragliche Änderungsvereinbarungen mit den Abnehmern realisieren lässt. Dementsprechend sieht das EnSiG Möglichkeiten vor, diesen zusätzlichen Finanzbedarf der Energieversorger durch gesetzliche Gestaltungsmöglichkeiten (Preisanpassungsrecht, saldierte Preisanpassung) sicherzustellen.

Diese Ausgangslage besteht jedoch auch in anderen Lieferketten, insbesondere im hochkonzentrierten Absatzbereich der Ernährungsindustrie. Hier werden die Hersteller häufig damit konfrontiert, dass die Kostenentwicklungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe ignoriert und nicht adäquat in Ansatz gebracht werden können. Dies betreffend bedarf es eines Korrektivs, durch das gewährleistet wird, dass gesetzliche Preisanpassungen für bestimmte Güter wie zum Beispiel Gas, in den Lieferketten von Verbrauchern des verarbeitenden Gewerbes eine entsprechende Berücksichtigung finden, da ansonsten energiewirtschaftliche Insolvenzrisiken einfach in andere Wertschöpfungsketten verlagert werden. Eine Doppelbelastung mit signifikant gestiegenen Preisen und der Umlage, gerade auch für Unternehmen, die mit ihren kommunalen Versorgern den Bezug zum Spotmarktpreis vereinbart haben, ist zu vermeiden.

Durch die Umlage entstehen den Gasverbrauchern im verarbeitenden Gewerbe zusätzliche Kosten, die auf der Absatzseite weitergereicht werden müssen, um rentabel wirtschaften zu können. Diese Weitergabe erfordert, dass die Höhe der Umlage dauerhaft absehbar ist und die Wertschöpfungsketten der gewerblichen Erdgasverbraucher finanziell nicht überfordert werden. Vor diesem Hintergrund sprechen wir uns für eine angemessene Deckelung der Umlage aus.

4. Schutzschild der Bundesregierung für vom Krieg
betroffene Unternehmen verlängern

Die Bundesregierung hat unterjährig ein Schutzschild aufgebaut, um von dem Ukraine-Krieg betroffene Unternehmen zu stützen. Dieses sieht folgende Maßnahmen vor:

  • KfW-Kreditprogramm
  • Bürgschaftsprogramme
  • Zeitlich befristeter Zuschuss für Unternehmen mit hohen Zusatzkosten aufgrund gestiegener Erdgas- und Strompreise (beschränkt auf den Zeitraum Februar bis ein schließlich September 2022)
  • Zielgerichtete Eigen- und Hybridkapitalhilfen
  • Unterstützung von Energieunternehmen bei bestimmten Liquiditätsengpässen

Dieses Schutzschild ist beizubehalten bzw. im Hinblick auf hohe Zusatzkosten für Unternehmen aufgrund gestiegener Erdgas- und Strompreise über den 30. September 2022 hinaus fortzusetzen und zwar unter bestmöglicher Nutzung der beihilferechtlichen Gestaltungsspielräume. Danach können auch Unternehmen bzw. Branchen berücksichtigt werden, die nicht mehr in den zugrundeliegenden Anhängen (KUEBLL-Listen) aufgeführt sind. Von den Unternehmen wird vielfach der bürokratische Aufwand beklagt, der mit entsprechenden Antragstellungen verbunden ist. Dieser wird insbesondere von KMUs mitunter als „abschreckend“ empfunden. Dies betreffend sollten dringend Vereinfachungen vorgesehen werden. Als weitere Entlastung sollte zudem in Betracht gezogen werden, eine kWh-Freigrenze zu definieren, ab der die Umlage erhoben wird. Dies hätte auch den Effekt, dass die Einsparbemühungen der Unternehmen nicht mit einer höheren Umlage bestraft würden, weil diese für die „umlagefreien Gasmengen“ nicht erhoben wird.

5. Schneller Abbau von staatlichen Belastungen der
Energiepreise

Ausländische Hersteller, mit denen u. a. die Unternehmen der Ernährungsindustrie in den Exportländern, aber auch in Deutschland im Wettbewerb stehen, haben aufgrund geringerer staatlicher Belastungen zum Teil weitaus geringere Energiepreise zu entrichten. Hinzu kommt zum Beispiel die signifikante Verteuerung von Rohstoffen. Dies stellt für deutsche Hersteller immer wieder einen Wettbewerbsnachteil dar. Nach der Abschaffung der EEG-Umlage sollten deshalb auch andere fiskalische Energiekostenbelastungen auf den Prüfstand gestellt werden, um die Energiepreise zu entlasten.

Das gilt insbesondere für die CO2-Bepreisung nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG). Die Preisentwicklung beim Erdgas und die drohende Gasmangellage stellen für das gesamte verarbeitende Gewerbe eine große Motivation dar, den Einsatz von Erdgas nach Möglichkeit zu substituieren bzw. so effizient wie möglich zu gestalten. Die nach diesem Gesetz vorgesehene finanzielle Belastung sollte aufgrund der unvorhergesehenen Rahmenbedingungen deshalb bis auf weiteres ausgesetzt werden.