Stellungnahme zum Einwegkunststofffondsgesetz

Zum Referentenentwurf des Gesetzes zur Umsetzung bestimmter Regelungen der EU-Einwegkunststoffrichtlinie – Einwegkunststofffondsgesetz

I. Allgemeines / Vorbemerkungen

Der Gesetzentwurf hat insbesondere die Umsetzung der „Erweiterten Herstellerverantwortung“ im Sinne von Art. 8 der „Richtlinie über die Verringerung der Auswirkungen über Kunststoffprodukte auf die Umwelt (nun folgend: EWKRL)“ zum Gegenstand. Danach haben die Hersteller bestimmter Einwegkunststoffprodukte die Kosten für Maßnahmen der Abfallbewirtschaftung, der Reinigung des öffentlichen Raums sowie von Sensibilisierungsmaßnahmen zu tragen. Sofern es sich bei den Einwegkunststoffartikeln um Lebensmittelverpackungen handelt, ist nach Art. 12 Abs. 1 EWKRL auch entscheidend, ob diese Verpackungen aufgrund des Volumens oder der Größe tendenziell achtlos weggeworfen werden.

Zur Umsetzung der herstellerseitigen Erweiterten Herstellerverantwortung haben wir der Politik gemeinsam mit anderen Verbänden aus Industrie und Handel ein privatwirtschaftlich geprägtes Konzept unterbreitet. In seinem Kern beinhaltet dieses einen „Einwegkunststoff-Fonds“ als privatrechtliches, gesetzlich angeordnetes Sondervermögen bei der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR). Die vorhandenen Strukturen könnten auf dieser Grundlage genutzt und bedarfsentsprechend ausgebaut werden. Ferner hat sich die ZSVR als Plattform für den Austausch zwischen Herstellern und Kommunen bewährt. Die Finanzierung der ZSVR durch duale Systemträger und Branchenlösungen über privatrechtliche Vereinbarungen belegt zudem, dass entsprechende Vorgänge reibungslos abgewickelt werden können.

Der vorliegende Referentenentwurf knüpft indessen nicht an bereits etablierte Lösungen in privatwirtschaftlicher Trägerschaft an, sondern sieht die Bildung und Verwaltung eines Einwegkunststoff-Fonds durch das Umweltbundesamt (UBA) vor, der durch eine Sonderabgabe der Hersteller der relevanten Einwegkunststoffartikel finanziert wird. Damit verbunden sind u. a. die Einführung von zusätzlichen Strukturen, Melde- und Registrierungspflichten, die zu zusätzlicher bürokratischer Komplexität und Aufwand führen und der Zielsetzung der Bundesregierung, Bürokratieentlastung zu bewirken, zuwiderlaufen.

II. Zum Referentenentwurf

1. Öffentlich-rechtliches Umsetzungskonzept ist mit rechtlichen Unwägbarkeiten verbunden

  • In der Einführung des Gesetzes (lit C) wird ausgeführt, dass zum vorliegenden Gesetzentwurf und dem ihm zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Umsetzungskonzept keine Alternative besteht. Dies ist offensichtlich unzutreffend, da Industrie und Handel, wie in der Vorbemerkung bereits ausgeführt, einen fundierten Vorschlag für ein privatwirtschaftliches Umsetzungskonzept vorgelegt haben.
    Bereits in der Vergangenheit haben sie mit dem Aufbau des dualen Systems, der DPG Deutsche Pfandsystem GmbH und der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister Institutionen entwickelt und aufgebaut, die die Kreislaufwirtschaft und Produktverantwortung in Deutschland gefördert haben. Der Erfolg dieser Einrichtungen ist in einem hohen Maß mit der Einbindung und der Akzeptanz der Wirtschaft verbunden.
  • Die Zulässigkeitskriterien für Sonderabgaben bildete das Bundesverfassungsgericht unter dem Aspekt des Schutzes der Finanzverfassung und dem „Prinzip des Steuerstaates“ einerseits und des Individualschutzes der Abgabepflichtigen andererseits, der seine Grundlage im Wesentlichen in dem Grundsatz der Belastungsgleichheit der Bürger findet. Da Sonderabgaben sich außerhalb der Finanzverfassung des Grundgesetzes bewegen, den Budgetkreislauf durchbrechen indem sie nicht dem allgemeinen Staatshaushalt zufließen und in grundrechtlich relevanter Weise nur eine begrenzte Gruppe belasten, hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung strenge Kriterien für die Zulässigkeit von Sonderabgaben entwickelt. Aus dem Kreis der Verbände, die den Vorschlag für ein privatwirtschaftliches Umsetzungsmodell für die „Erweiterte Herstellerverantwortung“ vorgelegt haben, ist dem BMUV ein Gutachten der Kanzlei REDEKER, das erhebliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Belastbarkeit der vorliegenden Finanzierung durch eine Sonderabgabe herausgestellt hat, zur Verfügung gestellt worden. Diese betreffen zum einen die Gruppennützigkeit der Verwendung des Abgabeaufkommens. Es ist nicht ersichtlich, dass die zu entrichtende Sonderabgabe die zahlungspflichtigen Hersteller von einer ihnen obliegenden Aufgabe entlastet. Darüber hinaus ist die Weiterleitung der vom UBA vereinnahmten Gelder an die Länder und Kommunen nicht mit dem Konnexitätsprinzip (Art. 104 a Abs. 1 GG) vereinbar. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf das dem BMUV vorliegende Rechtsgutachten verwiesen. Im Hinblick auf die ernstzunehmenden Zweifel an der verfassungsrechtlichen Belastbarkeit der vorgesehenen Sonderabgabe ist damit zu rechnen, dass eine Vielzahl von Abgabebescheiden des UBAs angefochten werden und diese Abgabe letztendlich einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung unterzogen werden wird. Dieses realistische Szenario und die damit verbundenen Risiken/Konsequenzen sollten im Gesetz im Rahmen einer Abschätzung zusätzlich aufgeführt werden.
2. Begriffsbestimmungen (§ 3), umlagefähige Kosten, eins-zu-eins-Umsetzung sicherstellen

  • In Art. 8 Abs. 2 und 3 EWKRL werden die Kosten aufgeführt, die von den Produzenten der im Anhang E aufgeführten Einwegkunststoffartikel im Rahmen ihrer Erweiterten Herstellerverantwortung anteilig zu tragen sind.
    Im Rahmen der Definition der Reinigungskosten (§ 3 Ziffer 10) und der Sensibilisierungskosten (§ 3 Ziffer 11) wird jeweils ausgeführt, dass diese „zumindest auch“ die Einwegkunststoffprodukte nach Anlage 1 des Gesetzentwurfs betreffen. Vom Wortsinn bedeutet dies, dass diese Kosten auch über die Anlage 1 genannten Einwegkunststoffartikel hinausgehen können, sodass die Träger der Erweiterten Herstellerverantwortung auch für Kosten von entsorgten Gegenständen herangezogen werden könnten, die nicht Gegenstand dieser Herstellerverantwortung sind. Dies ginge über eine eins-zu-eins-Umsetzung hinaus. Dementsprechend sollte die Formulierung „zumindest auch“ in den beiden Ziffern ersatzlos gestrichen werden. Damit soll sichergestellt werden, dass die Hersteller nur anteilig die Kosten zu tragen haben, die durch die in Anlage 1 aufgeführten Einwegkunststoffartikel verursacht werden.
  • Bei der Begriffsbestimmung der Kosten in § 3 fehlt die wichtige, in Art. 4 Abs. 4 EWKRL enthaltene Klarstellung, dass die zu tragenden Kosten nicht über diejenigen hinausgehen dürfen, die für eine kosteneffiziente Bereitstellung der zugrundeliegenden Dienste erforderlich sind. Diese geht über die in § 4 Abs. 2 des Gesetzentwurfs enthaltene allgemeine Aussage hinaus, dass bei der Verwaltung des Einwegkunststoff-Fonds die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten sind. Die Begriffsbestimmung sollte dementsprechend um diese Klarstellung ergänzt werden.
3. Abgabepflicht § 11 / Ausnahme für pfandpflichtige Einweg-Kunststoffgetränkeverpackungen sicherstellen, besondere Anforderungen an Lebensmittelverpackungen beachten

  • Die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf umzusetzende EWKRL zielt vor allem darauf ab, dem Littering von bestimmten Einwegkunststoffartikeln entgegenzuwirken. In diesem Kontext umfasst Art. 8 EWKRL über Teil E des Anhangs auch Getränkebehälter aus Kunststoff. Dies gilt gleichermaßen für die Anlage 1 des Gesetzentwurfs, auf die § 11 Bezug nimmt.
    Im Hinblick darauf, dass Deutschland u. a. über ein funktionierendes Pfandsystem für Einweg-Kunststoffgetränkeverpackungen verfügt, wäre es im verfassungsrechtlichen Sinne unverhältnismäßig, Hersteller von mit Getränken befüllten Einweg-Kunststoffgetränkeverpackungen, die gemäß § 31 Verpackungsgesetz der gesetzlichen Pfandpflicht unterliegen, mit einer Sonderabgabe zu belasten.
    Durch das gesetzlich vorgesehene Pflichtpfand in Höhe von 0,25 Euro sind die geleerten Gebinde werthaltig und bieten einen Anreiz, diese beim Getränkehandel zurückzugeben, um die Pfanderstattung zu erwirken. Dies hat zur Folge, dass diese Gebinde weitestgehend zurückgegeben werden. Es handelt sich dabei um einen separaten und hochwertigen Stoffstrom, der im Rahmen der Kreislaufführung einem hochwertigen Recycling zugeführt wird.
    Daraus folgt, dass von der gesetzlichen Pfandpflicht erfasste Einweg-Kunststoffgetränkeverpackungen aufgrund ihrer Werthaltigkeit nicht gelittert werden bzw. nicht auf Dauer in der Umwelt verbleiben und diese auch nicht belasten. Somit tragen diese Behältnisse auch nicht zur Entstehung von spezifischen Kosten im Sinne von Art. 8 EWKRL bei, die im Rahmen einer Sonderabgabe zu berücksichtigen wären. § 31 Verpackungsgesetz ist insofern lex specialis gegenüber dem Einwegkunststoff-Fondsgesetz. Denn die im Verpackungsgesetz geregelte Pfanderhebungspflicht für bestimmte Einweggetränkeverpackungen dient neben der Mehrwegförderung gerade auch dazu, dem Littering entgegenzuwirken.
    Die Abfüller von pfandpflichtigen Einweg-Kunststoffgetränkeverpackungen leisten ihren Beitrag gegen das Littering dieser Einwegkunststoffartikel und für deren ressourceneffiziente Kreislaufführung bereits über die ihnen obliegende Pfanderhebungspflicht und die damit korrespondierende Teilnahme am zugrundeliegenden Pfandsystems einschließlich dessen Finanzierung. Eine darüber hinausgehende Einbeziehung in die Abgabepflicht des § 11, die der Gesetzentwurf vorsieht, würde zu einer rechtswidrigen Doppelbelastung führen.
    Vor diesem Hintergrund erfordert der Gesetzentwurf eine Klarstellung, dass sich die Abgabepflicht des § 11 nicht auf Einweg-Kunststoffprodukte bezieht, die der Pfandpflicht des § 31 Verpackungsgesetz unterliegen.
  • Durch die in Anlage 1 des Gesetzentwurfs aufgeführte Liste der Einwegkunststoffprodukte, die auch Lebensmittelverpackungen beinhaltet, wird im wesentlichen Teil E des Anhangs der EWKRL abgebildet. Art. 12 Abs. 1 EWKRL trifft die Festlegung, dass es für die Einordnung einer Lebensmittelverpackung als Einwegkunststoffartikel i. S. d. EWKRL darauf ankommt, „ob diese aufgrund ihres Volumens oder ihrer Größe – insbesondere wenn es sich um Einzelportionen handelt – tendenziell achtlos weggeworfen werden“. Diese durch die EWKRL getroffene Einschränkung ist in dem vorliegenden Gesetzentwurf bislang nicht berücksichtigt. Es bedarf deshalb einer entsprechenden Ergänzung.
4. Festlegung der Abgabesätze (§ 13), Bezugsgröße „Euro pro Kilogramm“ sicherstellen, Überprüfungsintervalle verkürzen

  • Der Gesetzentwurf geht in nachvollziehbarer Weise davon aus, den Abgabesatz für jede Art eines Einwegkunststoffproduktes nach Anlage 1 in Euro pro Kilogramm festzulegen, da es sich um kleinteilige Gegenstände handelt, die sich am praktikabelsten über eine Gewichtseinheit erfassen lassen.
    Im Hinblick auf diese Kleinteiligkeit ist es unschlüssig, dass in der Gesetzesbegründung (Seite 70 des Gesetzentwurfs) darauf hingewiesen wird, dass es nicht ausgeschlossen ist, „dass im Rahmen der Herleitung der Abgabesätze bei einzelnen Kostenarten, z. B. bei den Reinigungskosten, nicht auch andere Faktoren wie Volumen oder Stückzahl zu berücksichtigen sind“. Eine mengenmäßige Erfassung der in Anlage 1 aufgeführten Gegenstände über Volumen oder Stückzahl stellt sich weder als praktikabel noch zielführend dar. Der entsprechende Vorbehalt in der Gesetzesbegründung sollte deshalb ersatzlos gestrichen werden.
  • Im Übrigen sieht diese Regelung vor, dass die Abgabesätze für die in Anlage 1 aufgeführten Einwegkunststoffartikel „mindestens“ alle fünf Jahre überprüft und ggf. angepasst werden. Diese Abgabesätze können deshalb eine erhebliche Bedeutung für den Kostenaufwand der Unternehmen und deren Wirtschaftlichkeit haben.
    In diesem Kontext ist zu berücksichtigen, dass sich sowohl die Entwicklung von Einwegkunststoffprodukten, insbesondere von entsprechenden Verpackungen, als auch das Verbraucherverhalten unter Umständen sehr dynamisch entwickeln können. Dadurch wird die Gefahr begründet, dass die Abgabesätze für in Verkehr gebrachte Einwegkunststoffartikel ihre wirtschaftliche Angemessenheit verlieren und zu Belastungen führen, die die Unternehmen und deren Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen.
    Vor diesem Hintergrund sollten die Intervalle zur Anpassung der Abgabensätze signifikant verkürzt werden, d. h. auf ein Jahr.
5. Einwegkunststoffkommission § 22

Die Ausgestaltung dieser Kommission, deren Implementierung auch im privatwirtschaftlichen Konzept von Industrie und Handel vorgesehen worden ist, ist in der vorliegenden Form nicht richtlinienkonform.

Durch Art. 8 Abs. 4 EWKRL ist geregelt, dass die Kosten zwischen den betroffenen Akteuren auf transparente Weise festzulegen sind. Dies bedeutet bei verständiger Würdigung, dass sowohl die Vertreter der zahlungspflichtigen Hersteller als auch die Vertreter der anspruchsberechtigten öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger über die angefallenen Kosten, deren Höhe und Zuordnung zu entscheiden haben.

Die im Gesetzentwurf stattdessen vorgesehene Beratungsfunktion der Mitglieder der Einwegkunststoffkommission bleibt hinter dieser Vorgabe zurück. Maßgebende Entscheidungen, wie zum Beispiel die Festlegung der Abgabesätze (§ 13) und des Punktesystems (§ 18) werden durch das BMUV getroffen. Dieses ist jedoch nicht Adressat der in Art. 8 Abs. 4 EWKRL getroffenen Kostenfestlegung, ebenso wenig das UBA.

Im Hinblick auf die eindeutige Zuordnung der Kostenfestlegung des Art. 8 Abs. 2 EWKRL und die damit verbundene spezifische Aufgabenstellung ist eine Einbindung von Vertretern der Umwelt- und Verbraucherverbände in die vorgesehene Kunststoffkommission nicht erforderlich. Sie führt zu unnötiger Komplexität und sollte deshalb an dieser Stelle unterbleiben.