Die EU-Kommission hat heute ihren Entwurf für eine europäische Sorgfaltspflichtenregelung vorgestellt. Die Richtlinie geht deutlich weiter als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das Anfang 2023 in Kraft tritt.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) begrüßt, dass mit der Einführung einer EU-Regulierung die Zielsetzung einer harmonisierten Regelung von umweltbezogenen und menschenrechtsbezogenen Sorgfaltspflichten und damit auch einheitlichen Definitionen und transparenten Grund-lagen etabliert wird. In vielen Punkten besteht allerdings Nachbesserungsbedarf, um die Unternehmen nicht unverhältnismäßig stark zu belasten, Lieferbeziehungen nicht grundlos zu gefährden, Rechtssicherheit zu schaffen und EU-weite Chancengleichheit zu gewährleisten.
„Die Richtlinie lässt in vielen wichtigen Punkten den Mitgliedstaaten deutlichen Gestaltungsspielraum. Das erhöht die Gefahr eines europäischen Flickenteppichs und konterkariert die notwendige europäische Harmonisierung. Auch in Bezug auf Sanktionen muss eine verhältnismäßige EU-Vorgabe erfolgen“, sagt Stefanie Sabet, Geschäftsführerin und Leiterin des Brüsseler Büros der BVE. „Besonders kritisch sehen wir, dass nicht nur der Geltungsbereich deutlich über alle bestehenden nationalen Regelungen hinaus ausgedehnt wurde, sondern deutlich über den der übrigen EU-Regulierungen zu Sorgfaltspflichten und Nachhaltigkeit, wie die EU-Taxonomie oder Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten hinausgeht. Zudem wird in Teilen der Lebensmittelkette – einschließlich der Ernährungsindustrie – der Geltungsbereich auf Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern erweitert.“
Sabet hält es für ungerechtfertigt, einen kompletten Sektor anstelle einzelner Rohstoffe bzw. Lieferketten als risikobehaftet zu bewerten, wie bisher. Hier müsse eine Prüfung und Begrenzung auf nachweislich kritische Lieferketten erfolgen. Ebenfalls solle sichergestellt sein, dass für Unternehmen bei nachweislicher Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten die zivilrechtliche Haftung ausgeschlossen wird. Andernfalls würde es immer wahrscheinlicher, dass aufgrund der enormen Rechtsunsicherheiten die Handelsbeziehungen zu bestimmten Ländern nicht mehr aufrechterhalten werden können.
„Die Einführung einer zivilrechtlichen Haftung für unternehmerische Sorgfaltspflichten ist den europäischen Rechtsordnungen fremd und steht auch nicht in Übereinstimmung mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrech-te sowie den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen. Deswegen sollte eine europäische Lieferkettenregulierung keine erweiterte zivilrechtliche Haftung vorsehen. Schließlich unternimmt die EU-Kommission zwar den Versuch, die indirekten Auswirkungen der Regulierung auf Zulieferer und insbesondere KMUs zu beschränken, allerdings besteht hier noch erheblicher Kon-kretisierungsbedarf“, sagt Stefanie Sabet.
Die Unternehmen der Ernährungsindustrie verurteilen jegliche Art der Menschenrechtsverletzung und sind sich ihrer Verantwortung für die Achtung von Menschenrechten in ihren Produktionsstandorten und direkten Lieferbeziehungen im In- und Ausland bewusst. Viele Unternehmen engagieren sich bereits seit Jahren für faire Lieferketten und zertifizierte Rohstoffe, gerade bei Importwaren aus Nicht-EU-Ländern wie Kaffee, Tee, Soja, Früchten, Kakao, Fisch, Krebs- und Weichtieren, Gewürzen oder Palmöl.
Die Ernährungsindustrie ist mit einem jährlichen Umsatz von 181 Mrd. Euro der viertgrößte Industriezweig Deutschlands. Über 610.000 Beschäftigte in rund 6.100 Be-trieben versorgen die Verbraucher mit hochwertigen und preiswerten Lebensmitteln. Dabei ist die Branche klein- und mittelständisch geprägt: 90 Prozent der Unterneh-men der deutschen Ernährungsindustrie gehören dem Mittelstand an. Die Export-quote von 35 Prozent zeigt, dass Kunden auf der ganzen Welt die Qualität deutscher Lebensmittel schätzen.