Zum Auftakt erschien eine ganzseitige Anzeige in den Kieler Nachrichten. Die Motive zeigen alltägliche Szenen aus dem Norden, denen plötzlich etwas Wesentliches fehlt: einen Weihnachtsteller ohne Plätzchen, eine ältere Frau, der der Kluntje für den Tee zu teuer wird, einen Lübecker, der statt Marzipan eine Kartoffel in der Hand hält.
Diese Bilder sind bewusst zugespitzt. Sie veranschaulichen, wie tief eine Zuckersteuer in regionale Traditionen, alltägliche Gewohnheiten und die Vielfalt unserer Lebensmittel eingreifen würde.
Warum wir diese Kampagne starten
In Schleswig-Holstein wird das Thema Zuckersteuer bzw. eine Herstellerabgabe auf Erfrischungsgetränke derzeit intensiv diskutiert. Der Landtag hat am 17. Oktober mehrheitlich beschlossen, den „übermäßigen“ Zuckerkonsum mit einer Zuckersteuer oder einer Herstellerabgabe anzugehen. Die Landesregierung konzentriert sich dabei vor allem auf Erfrischungsgetränke.
Die SPD Schleswig-Holstein geht weiter: In ihrem Antrag vom 7. Oktober fordert sie eine „Herstellerabgabe auf besonders zuckerhaltige Lebensmittel“. Schleswig-Holstein wäre damit das erste Bundesland, das eine solche Abgabe aktiv vorantreibt – mit Signalwirkung über die Landesgrenzen hinaus.
„Im Norden weiß man, was gut schmeckt. Eine Zuckersteuer braucht hier niemand“, sagt Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer von BVE und Lebensmittelverband Deutschland. „Rezepturen gehören in die Küche der Lebensmittelhersteller und nicht in politische Debattenräume.“
Was die Wissenschaft wirklich sagt
In der Debatte wird häufig behauptet, die Einführung einer Zuckersteuer habe in anderen Ländern nachweislich zu besseren Gesundheitseffekten geführt oder könne Übergewicht bei Kindern eindämmen. Doch dafür fehlt die wissenschaftliche Evidenz. Viele dieser Argumente stützen sich auf Modellierungsstudien, die keine realen Entwicklungen messen, sondern theoretische Szenarien simulieren.
Um ihre Aussagekraft zu überprüfen, haben wir STAT-UP Statistical Consulting & Data Science GmbH mit der Analyse von sechs häufig zitierten Studien aus Deutschland, Großbritannien und Mexiko beauftragt. Das Ergebnis ist eindeutig: Keine der geprüften Studien erfüllt die Anforderungen, die als Grundlage für politische Entscheidungen notwendig wären.
Die zentralen Kritikpunkte umfassen fehlende Kausalitätsnachweise zwischen Steuer und Gesundheitsveränderungen, vereinfachte Annahmen über das Verhalten der Verbraucher, veraltete oder unvollständige Datengrundlagen sowie modellinterne Ergebnisse, die reale Entwicklungen nicht abbilden. Hinzu kommt aus Sicht der Gutachter eine oft unkritische Interpretation der modellbasierten Ergebnisse.
Ein Beispiel: Eine der Studien geht davon aus, dass Menschen bei steigenden Preisen für gezuckerte Getränke automatisch auf Wasser umsteigen. Diese Annahme ist empirisch nicht belegt und ignoriert andere Ausweichreaktionen. Die Verbraucher könnten auch zu anderen zuckerhaltigen Produkten greifen oder schlicht die höheren Preise zahlen.
„Der gesundheitliche Nutzen solcher Steuern ist fraglich“, betont Minhoff. „Keine der oft angeführten Modellierungsstudien erfüllt die wissenschaftlichen Anforderungen, die für politische Entscheidungen nötig wären. Eine echte Verbesserung erreicht man nur durch Bildung, Bewegung und ein vielfältiges Angebot.“
Internationale Entwicklungen stützen diese Bewertung. In Mexiko sank der Konsum zuckergesüßter Getränke nach Einführung einer Steuer 2014 zwar kurzfristig leicht, doch die Adipositasraten stiegen weiter an. Auch in Großbritannien, wo seit 2018 die Soft Drinks Industry Levy gilt, lassen sich keine messbaren Effekte auf das Körpergewicht der Bevölkerung nachweisen.
Steuerliche Lenkungsmaßnahmen sind erhebliche staatliche Eingriffe, die nicht mit Studienergebnissen gerechtfertigt werden dürfen, die mit großen Unsicherheiten behaftet sind.
Was eine Zuckersteuer für Produkte und Verbraucher bedeuten würde
Mit dem Kampagnenclaim „Kein echter Norden ohne Zucker“ machen wir auf die möglichen Folgen einer staatlichen Abgabe aufmerksam. Sie würde zu höheren Preisen und damit zu einer unmittelbaren finanziellen Mehrbelastung für die Verbraucherinnen und Verbraucher führen. Wir befürchten Produktionsverlagerungen ins Ausland, den Verlust regionaler Rezepturen und eine Verarmung der Lebensmittelvielfalt, ohne dass ein gesundheitlicher Nutzen nachgewiesen wäre.
Unsere Alternative: Bildung statt Bevormundung
Wir setzen uns für eine sachliche und faire Diskussion über Ernährungspolitik ein. Dazu gehört, Fehlinterpretationen zu korrigieren, wissenschaftliche Evidenz klar einzuordnen und deutlich zu machen, dass Lenkungssteuern nicht der richtige Weg sind. Unser Anliegen ist es, Verbraucherinnen und Verbraucher nicht durch Steuern zu bevormunden, sondern durch Bildung und Transparenz zu stärken.
Die Lebensmittelwirtschaft arbeitet bereits aktiv an Lösungen: Sie beteiligt sich an der Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie, reformuliert Produkte und entwickelt neue Rezepturen für unterschiedliche Ernährungsbedürfnisse. Diese Ansätze sind aus unserer Sicht zielführender als staatliche Eingriffe in die Rezepturhoheit der Hersteller.
Unsere zentralen Forderungen
- Faire und faktenbasierte Diskussion
Ernährungspolitische Entscheidungen benötigen eine solide wissenschaftliche Grundlage. Lenkungssteuern gelten unter den aktuellen Erkenntnissen nicht als wirksames Instrument. Politische Maßnahmen sollten erst nach einer transparenten Analyse der Studienlage und einer umfassenden ökonomischen Folgenabschätzung erfolgen. - Förderung eines gesunden Lebensstils statt Steuern
Übergewicht entsteht durch viele Einflussfaktoren – nicht durch einzelne Nährstoffe. Effektive Strategien setzen deshalb auf Ernährungsbildung, Bewegung und strukturelle Unterstützung, kombiniert mit freiwilligen Reformulierungen der Branche. Diese Maßnahmen stärken Eigenverantwortung und wirken nachhaltiger als steuerliche Eingriffe. - Keine Maßnahmen ohne belastbare Evidenz
Politische Instrumente, die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen finanziell belasten, dürfen nur dann eingeführt werden, wenn ihr Nutzen wissenschaftlich gesichert ist. Modellierungsstudien reichen hierfür nicht aus. Solange diese Evidenz fehlt, lehnen wir eine Zuckersteuer ab.
Mehr zur Kampagne
Alle Motive, Faktenchecks und Hintergrundanalysen finden Sie auf unserer Website www.lieber-keine-zuckersteuer.de

