„Redefine Meat hat das Ziel, das größte Fleischunternehmen der Welt zu werden.“

Eshchar Ben-Shitrit möchte nicht weniger als die Fleischproduktion auf den Kopf stellen. Mit seinem israelischen Unternehmen Redefine Meat kreiert er pflanzliche Steaks aus dem 3D-Drucker.

Quelle: Redefine Meat

So täuschend echt, dass selbst Spitzenköche sie nicht vom Original unterscheiden können. Seit Ende 2021 ist das „Alt-Meat“ (alternatives Fleisch) bereits auf den Speisekarten einzelner Restaurants in Deutschland und der Schweiz. Im zweiten Schritt sollen die Produkte in den Einzelhandel kommen.

Redefine Meat wurde 2018 gegründet. Aktuell verkaufen Sie Ihre Produkte bereits an Restaurants. Ist der Markt bereit für pflanzliche Steaks aus dem 3D-Drucker?

Eshchar Ben-Shitrit: Wir verkaufen wir unsere „New-Meat“-Produkte seit Juli kommerziell in Israel. Über 200 Restaurants im ganzen Land bieten unsere Redefine Burger, Würstchen, Kebab, nahöstliche „Zigarren“ (Spezialität aus der Region) und Hackfleischprodukte an. Und seit kurzem sind auch unsere mit Spannung erwarteten ganzen Rinder- und Lammsteaks in ausgewählten Spitzenrestaurants in Deutschland, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden und Israel erhältlich.

Was die Marktreife angeht, so stellt sich weniger die Frage nach 3D-gedrucktem Fleisch, sondern vielmehr, ob die Verbraucher bereit sind für eine hochwertige Fleischalternative. Die Welt weiß, dass sie sich ändern muss. Zwar wurden in den letzten Jahren große Fortschritte bei pflanzlichen Alternativprodukten gemacht, doch in der Realität bleibt die Qualität und Vielseitigkeit noch zu weit hinter der von tierischem Fleisch zurück, um den Massen-Mainstream-Fleischliebhaber zu bekehren. Erstens: Geschmack, Textur und Mundgefühl lassen meist sofort erkennen, dass es sich nicht um Fleisch handelt. Und zweitens gibt es in den Regalen der Supermärkte außer Burgern, Würstchen, Chicken Nuggets und einer Handvoll anderer Hackfleischprodukte keine Vielfalt, die dem weltweiten Fleischkonsum gerecht wird – vor allem keine ganzen Fleischstücke. Wir haben mit unseren „New Meat“ etwas erreicht, von dem viele sagten, es sei unmöglich. Und das in einer Qualität, die auf den Speisekarten von Spitzenrestaurants und Michelin-Sternen akzeptiert wird.

Woraus besteht das Material für ein alternatives Steak und wie funktioniert das Drucken?

Eshchar Ben-Shitrit: Wir haben eine geschützte 3D-Drucktechnologie namens Meat Matrix Additive Manufacturing entwickelt. Sie ermöglicht es uns, die Muskelfasern eines Tieres nachzubilden, indem wir unsere pflanzlichen Rezepturen für Alt-Blut, Alt-Fett und Alt-Muskel Schicht für Schicht auf Voxel-Ebene miteinander verflechten. Alt steht für „Alternative“. Auf diesem Weg können wir fleischähnliche Texturen herstellen, die bisher nicht möglich waren, und sie an das jeweilige Fleischstück anpassen. Der Benutzer kann in der Software einfach auswählen, welches Fleischstück er haben möchte, zum Beispiel Rib Eye, Filet, Lende und der Drucker beginnt mit dem Druckvorgang. Die pflanzlichen Rezepturen bestehen aus handelsüblichen pflanzlichen Zutaten wie Soja- und Erbsenprotein, Kichererbsen, Rote Bete, Nährhefen und Kokosfett.

In Ihren Produkten haben Sie eine ganze Reihe sensorischer Parameter festgelegt, zum Beispiel die Saftigkeit und das Mundgefühl. Wie verläuft ein solcher Prozess und wer wirkt daran mit?

Eshchar Ben-Shitrit: Wir verwenden etwa zehn quantitative Tests, um unser Produkt zu charakterisieren, etwa Härte, Kaubarkeit, Bissfestigkeit, freier Wassergehalt und thermische Gelierung. Außerdem führen wir eine umfassende sensorische Panelanalyse aus, die etwa 15 zusätzliche Parameter ergibt, zum Beispiel Textur, Aroma, Aussehen, Geschmack und Saftigkeit. Einige Tests sind Standardtests, wie zum Beispiel der TPA. Andere, wie die Bissfestigkeit, werden kundenspezifisch entwickelt. Unser Fachwissen auf dem Gebiet des Fleisches und seiner Charakterisierung beruht auf der Zusammenarbeit mit führenden Fleischwissenschaftlern wie Professor Peter Purslow und unseren Forschungsmitarbeitern, zu denen Dutzende von Wissenschaftlern mit Doktortiteln aus verschiedenen Disziplinen gehören, darunter Materialwissenschaft, Chemie, Lebensmitteltechnik, Maschinenbau, Physik und Datenwissenschaft.

Quelle: Redefine Meat

Wie viele Steaks kann eine Maschine in einer Stunde drucken?

Eshchar Ben-Shitrit: Etwa 10 Kilogramm pro Stunde.

Was unterscheidet das alternative Fleisch von anderen pflanzlichen Alternativen und von tierischen Produkten?

Eshchar Ben-Shitrit: Im Gegensatz zu vielen pflanzlichen Alternativen haben unsere Produkte das Potenzial, für den normalen Fleischliebhaber wirklich attraktiv zu sein. Durch die Kombination unserer technologischen Wurzeln mit einem tiefen Verständnis dafür, was Fleisch eigentlich zu Fleisch macht sowie einer engen Zusammenarbeit mit der kulinarischen Gemeinschaft konnten wir schmackhafte Fleischalternativen mit der Textur und dem Mundgefühl von Tierfleisch entwickeln. Heute wird unser New-Meat in Spitzenrestaurants serviert, die pflanzliches Fleisch bisher nicht einmal in Betracht gezogen haben. Und im Gegensatz zu den heute führenden pflanzlichen Unternehmen, die sich auf Hackfleischprodukte wie Burger, Würstchen und Nuggets beschränken, verfügen wir über die Technologie, um das Fleisch der gesamten Kuh zu ersetzen. Was den Nährwert betrifft, so ist unser Fleisch cholesterinfrei, fett- und salzarm.

Zu Ihren Investoren gehört auch Deutschlands größtes Geflügelunternehmen, die PHW-Gruppe. Sehen Sie Redefine Meat langfristig als direkte Konkurrenz oder als Ergänzung zur Fleischindustrie?

Eshchar Ben-Shitrit: Redefine Meat hat das klare Ziel, das größte Fleischunternehmen der Welt zu werden. Mit unserer 3D-Drucktechnologie können wir ganze Muskelstrukturen nachbilden, egal ob es sich um Rind-, Lamm-, Hühner- oder Schweinefleisch oder um Meeresfrüchte wie Lachs oder Thunfisch handelt. Aber wir konzentrieren uns in erster Linie auf Rindfleisch. Nicht nur, weil Rindfleisch das größte Geschäftspotenzial hat, sondern auch, weil es die größte Umweltbelastung mit sich bringt.

Wir sehen die größten Fleischproduzenten der Welt als unsere Konkurrenten an. Aber auf lange Sicht soll unser New-Meat das Tierfleisch nicht vollständig ersetzen. Unser Ziel ist es, Fleischliebhabern schmackhafte Alternativen zu bieten, um ihren Fleischkonsum zu reduzieren, ohne dass sie Kompromisse beim Essensgenuss eingehen müssen. Selbst wenn jeder seinen Fleischkonsum nur um einen Tag in der Woche reduzieren würde, hätte dies einen tiefgreifenden Einfluss auf die Nachhaltigkeit unseres Planeten.

In Deutschland wurden die ersten Steaks im November 2021 erstmalig in einem Restaurant getestet. Wie war das Feedback?

Eshchar Ben-Shitrit: Die Resonanz war unglaublich. Als wir unsere Produkte zum ersten Mal mit einer Reihe von Spitzenköchen im ganzen Land getestet haben, ist ihnen nicht einmal aufgefallen, dass sie pflanzlich sind. Nachdem sie probiert hatten, sagten sie: „Wow, das ist ein leckeres Produkt, das ihr da habt. Das würden wir auf unseren Speisekarten servieren.“ Als wir ihnen sagten, dass es kein echtes Fleisch ist, konnten sie es nicht glauben. Das wichtigste Feedback betraf die Textur, die wir mit unserem Steak erreicht haben. Die Tiefe und Bissfestigkeit, das Mundgefühl – das ist etwas, das sie so bei pflanzlichen Alternativen noch nicht erlebt hatten. Der Erfolg war so groß, dass wir schon bald eine Reihe neuer deutscher Restaurants ankündigen, die unser Fleisch servieren!

Wann können die Verbraucher die ersten Redefine-Meat-Produkte im Supermarkt kaufen und was werden sie in etwa kosten?

Eshchar Ben-Shitrit: In der ersten Phase unserer Markteinführung konzentrieren wir uns auf die Gastronomie. Wir arbeiten eng mit der gehobenen Gastronomie zusammen, um unsere Produkte weiter zu optimieren. Letztendlich haben wir hier einen einzigartigen Vorteil, da es keinem anderen alternativen Fleischunternehmen gelungen ist, die Zustimmung von Spitzenköchen zu erhalten, so dass wir diese Gelegenheit nutzen wollen, um von den Menschen zu lernen, die sich am besten mit Lebensmitteln auskennen. In der zweiten Phase werden wir dann im Einzelhandel und im Direktvertrieb auf den Markt kommen.

Was den Preis angeht, so ist unser Fleisch mit den entsprechenden Produkten aus Tierfleisch konkurrenzfähig. Unsere Produkte sind von hoher Qualität, und wenn man bedenkt, wie viel wir für ein gutes Steak bezahlen, wird unser Fleisch preislich vergleichbar sein. Und natürlich wird der Preis unseres Fleisches mit zunehmendem Absatz weiter sinken.

Vielen Dank für das Interview!

Wie Israel die Ernährung der Zukunft entwickelt

Israel hat sich in den vergangenen Jahren weit über seine Grenzen hinaus mit Lebensmittelinnovationen einen Namen gemacht und ist zu einem der weltweit wichtigsten Innovationshubs für Foodtech geworden.
Foto von Anne Lamp, Gründerin von traceless.

„Das ist eine ganz neuartige Alternative zu Kunststoffen.“

lastikfrei verpacken: Das Hamburger Startup traceless hat eine kompostierbare Kunststoff-Alternative entwickelt. Wie das geht und wie das Material auch in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden kann, berichtet CEO Anne Lamp im Interview.