Green Claims Directive bleibt umstritten

Brüssel will die Gespräche zur Green Claims Directive neu beleben. Industrieverbände wie die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) lehnen das ab. Sie warnen vor Doppelregulierung, überzogener Bürokratie und massiven Belastungen für kleine und mittlere Unternehmen.

Europäische Unionsflaggen vor dem Gebäude der Europäischen Kommission unter einem bewölkten HimmelQuelle: Arcady / AdobeStock

Kaum war die europäische Green Claims Directive (GCD) in Brüssel politisch abgehakt, kehrt sie nun überraschend zurück auf die Agenda. Die dänische Ratspräsidentschaft versucht derzeit, die Gespräche über die Richtlinie wiederzubeleben und Mitgliedstaaten wie Deutschland zu einer Zustimmung im Rat zu bewegen. Für zahlreiche Branchenverbände kommt das zur Unzeit. Sie sehen in dem Vorstoß ein riskantes politisches Signal und warnen vor zusätzlichen Belastungen für die Wirtschaft. In einem gemeinsamen Schreiben an die Bundesregierung fordern über zwanzig Spitzenverbände, darunter die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), eine klare Absage an die Wiederaufnahme der Verhandlungen.

Ein Vorschlag mit vielen offenen Fragen

Die Green Claims Directive wurde von der Europäischen Kommission ursprünglich im März 2023 vorgelegt. Ziel des Vorhabens war es, Umweltaussagen in der Werbung, sogenannte Green Claims, europaweit zu harmonisieren und verbindliche Nachweispflichten einzuführen. Unternehmen sollten künftig wissenschaftlich belegen müssen, wenn sie ein Produkt als „klimaneutral“, „umweltfreundlich“ oder „nachhaltig“ bewerben.

Die Idee klingt auf den ersten Blick nachvollziehbar: Verbraucher sollen sich auf Umweltversprechen verlassen können, Greenwashing soll verhindert werden. Doch der Entwurf war von Beginn an umstritten. Viele Unternehmen warnten, dass die Vorgaben zu weit greifen und in der Praxis zu einer massiven Bürokratisierung führen würden.

EmpCo-Richtlinie regelt bereits irreführende Werbung

Zentraler Kritikpunkt der Wirtschaft: Die GCD schafft eine Doppelstruktur, da die EU mit der sogenannten Empowering Consumers for the Green Transition Directive (EmpCo) bereits ein Instrument auf den Weg gebracht hat, das irreführende Umweltwerbung adressiert. Diese Richtlinie wurde im Frühjahr 2024 verabschiedet und wird derzeit in den Mitgliedstaaten umgesetzt.

Die EmpCo-Richtlinie untersagt unter anderem vage Begriffe wie „umweltfreundlich“ oder „grün“, sofern sie nicht belegt sind, und verpflichtet Unternehmen zu mehr Transparenz bei Nachhaltigkeitsaussagen. In Deutschland greifen zudem schon heute die bestehenden Regelungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Gerichte haben mehrfach entschieden, dass unzutreffende oder unbelegte Umweltaussagen unzulässig sind.

Vor diesem Hintergrund sehen die Verbände keinen Bedarf für eine zusätzliche Regulierung. „Mit der EmpCo-Richtlinie entsteht bereits ein umfassender Rechtsrahmen, der genau das regelt, was die Green Claims Directive zusätzlich einführen würde“, heißt es im gemeinsamen Verbändeschreiben.

Hoher Aufwand, unklare Wirkung

Nach dem aktuellen Entwurf der GCD sollen Unternehmen künftig jede umweltbezogene Werbeaussage vorab durch unabhängige Dritte prüfen lassen. Diese Zertifizierung wäre mit erheblichem Aufwand verbunden. Unternehmen müssten Daten zu Lebenszyklen, Emissionen und Produktionsbedingungen liefern, Prüfsysteme etablieren und Dokumentationen öffentlich zugänglich machen.

„Eine solche Regelung würde gerade für kleine und mittlere Unternehmen enorme Kosten verursachen und damit den Wettbewerb verzerren“, erklärt Marcel Winter, Leiter des Brüsseler Büros der BVE.

Die Verbände warnen zudem, dass mit der GCD in allen Mitgliedstaaten neue Zertifizierungs- und Kontrollstellen aufgebaut werden müssten. Diese Bürokratielast stehe in keinem Verhältnis zum möglichen Nutzen.

Fehlende Folgenabschätzung und unsichere Rechtsgrundlage

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die mangelnde Folgenabschätzung. Die EU-Kommission hat bis heute keine unabhängige Bewertung der wirtschaftlichen und administrativen Auswirkungen der Richtlinie vorgelegt. Stattdessen stützt sie sich auf die Analysen zur EmpCo-Richtlinie, obwohl deren Eingriffstiefe und Zielrichtung deutlich unterschiedlich sind.

Zudem ist fraglich, wie sich die GCD rechtlich in das bestehende Gefüge aus Verbraucher-, Wettbewerbs- und Umweltrecht einfügen würde. Nationale Gerichte und Behörden verfügen bereits über wirksame Mittel, um unlautere Werbung zu sanktionieren.

Industrie warnt vor Rückschritt für den Standort Europa

Für die BVE und die unterzeichnenden Verbände steht fest: Eine Wiederaufnahme der Gespräche zur Green Claims Directive würde die europäische Wirtschaft in einer Phase zusätzlicher Belastungen weiter unter Druck setzen. „Die GCD wäre ein Rückschritt. Sie gefährdet Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft, ohne einen echten Mehrwert für den Verbraucherschutz zu schaffen“, so Winter.

Auch das politische Signal wäre aus Sicht der Wirtschaft fatal. Während die EU sich selbst das Ziel gesetzt hat, Bürokratie abzubauen und Investitionen in Nachhaltigkeit zu fördern, würde die GCD das Gegenteil bewirken: Mehr Kontrolle, mehr Kosten, mehr Unsicherheit.

Bundesregierung soll bei ihrer Linie bleiben

Die Verbände appellieren deshalb an die Bundesregierung, ihre bisherige Haltung beizubehalten und eine Wiederaufnahme der Verhandlungen strikt abzulehnen. Die Green Claims Directive sei „weder erforderlich noch sinnvoll und zudem kontraproduktiv im Hinblick auf die angestrebte Entbürokratisierung“ heißt es im Verbändeschreiben.

Statt neuer Verordnungen brauche es nun Rechtsklarheit, Planungssicherheit und eine konsequente Umsetzung bestehender Vorgaben. Nur so könne glaubwürdige Nachhaltigkeitskommunikation gestärkt werden, ohne die Wirtschaft zusätzlich zu belasten.

Ein Symbol für die EU-weite Überregulierung

Die Green Claims Directive steht exemplarisch für ein europäisches Übermaß an Regulierung mit nicht belegtem Nutzen, aber weiteren bürokratischen Belastungen für die Unternehmen. Die BVE und ihre Partnerverbände fordern daher: Statt neue Gesetze zu schaffen, sollte die EU bei bestehenden Regelungen eine zielführende Wirksamkeit sowie Praxistauglichkeit sicherstellen und dem Weg eines konsequenten Bürokratieabbaus weiterverfolgen.