Geflügelwirtschaft fordert mehr Tempo von der neuen Bundesregierung

Während der Verzehr von Geflügelfleisch in Deutschland kontinuierlich wächst, fühlt sich die Branche politisch ausgebremst: durch gesetzliche Vorgaben, regulatorische Hürden und nicht zuletzt durch einseitige wissenschaftliche Leitlinien. Beim ersten Deutschen Geflügel Forum in Berlin kamen rund 200 Gäste aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zusammen, um Klartext zu reden.

Legehennen in einem modernen GeflügelstallQuelle: MARCELO / Adobe Stock

„Die deutsche Geflügelwirtschaft ist leistungsfähig, nachhaltig und ein verlässlicher Partner für sichere Lebensmittel“, betont Hans-Peter Goldnick, Präsident des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG). Doch zugleich formulierte er eine klare Erwartung an die neue Bundesregierung: Die Politik müsse jetzt nachziehen. Die Nachfrage nach Geflügelfleisch und Eiprodukten steigt seit Jahren, nicht nur bei jungen Konsumenten. Es sei Zeit, dass sich die politischen Rahmenbedingungen dieser Entwicklung anpassten.

Schnellere Genehmigungen für neue Ställe

So dauere die Genehmigung neuer Stallanlagen im Schnitt mehrere Jahre – zu lang, um auf steigende Nachfrage und neue Tierwohlstandards angemessen reagieren zu können. Die Folge: Investitionen verzögern sich oder bleiben ganz aus. Als Ursache nennt der ZDG das Zusammenspiel von bundesrechtlichen Vorgaben mit 16 unterschiedlichen Landesbauordnungen. Gefordert wird eine Reform des Baurechts, die schnellere, rechtssichere Verfahren ermöglichen soll – vor allem für den Umbau bestehender Anlagen. „Wer Tierwohl will, muss den Bau entsprechender Anlagen ermöglichen,“ so Goldnick.

Wenig hält die Branche von freiwilligen Programmen wie der Masthuhn-Initiative, die höhere Haltungsstandards etablieren will. „Ich glaube nicht an Initiativen wie diese“, sagte Goldnick. Der Marktanteil entspreche nicht der Realität im Supermarktregal. Auch bei Bio-Eiern habe es Jahrzehnte gedauert, bis ein nennenswerter Marktanteil erreicht wurde. „Die Nachfrage ist schlicht nicht da.“

DGE-Empfehlungen nicht nachvollziehbar

Besonderen Unmut äußerte der ZDG gegenüber der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Diese hatte ihre Ernährungsempfehlungen zuletzt überarbeitet und rät seitdem zu einem stärker pflanzenbasierten Speiseplan. Geflügelfleisch kommt dabei nach Einschätzung des Verbands zu schlecht weg. Goldnick äußerte den Verdacht, die Empfehlungen seien „vermutlich unter politischem Druck“ zustande gekommen. Seine Forderung: Die Bundesregierung solle die DGE beauftragen, ihre Leitlinien zu überarbeiten – und den Konsum von Geflügelfleisch unter ernährungsphysiologischen wie umweltpolitischen Aspekten angemessen zu berücksichtigen.

Änderungen bei der Tiertransport-Verordnung

Beim Thema Tiertransporte kritisiert die Branche geplante EU-Vorgaben, wonach Geflügel in größeren Transportbehältern mehr Platz erhalten soll. Goldnick verweist auf betriebliche Erfahrungen, die nahelegten, dass solche Maßnahmen nicht automatisch dem Tierwohl dienten – im Gegenteil. „Die Tiere nehmen Schaden in den größeren Transportbehältern, dafür haben wir ganz klare Anhaltspunkte“, erklärt Goldnick. Eine höhere Zahl an Tieren erleide bei den Transporten etwa Frakturen, weil sie bei plötzlichen Bewegungen des Fahrzeugs gegeneinander oder an die Wände stoßen.

Mehr Transparenz und einheitliche CO₂-Standards

Mehr Unterstützung erwartet der Verband auch in puncto Herkunftskennzeichnung – insbesondere in der Gastronomie. In Kantinen, Restaurants und Imbissen sei bislang nicht nachvollziehbar, woher das servierte Fleisch stammt. Der ZDG will dafür ab Mitte 2025 ein eigenes Label zur Verfügung stellen.

Auch in Sachen Klimabilanz sieht sich die Geflügelwirtschaft im Nachteil. Die aktuellen CO₂-Bewertungen tierischer Lebensmittel basierten auf uneinheitlichen Kriterien und berücksichtigten oft weder Transportaufwand noch Nährstoffdichte. Der Verband fordert EU-weit abgestimmte einheitliche Standards zur Bewertung des CO₂-Fußabdrucks.

Geflügel-Agenda 2025

Die Geflügelwirtschaft weiß, dass sie sich im Spannungsfeld zwischen Verbrauchererwartungen, Klimazielen und politischen Rahmenbedingungen bewegt. Sie betont ihre Dialogbereitschaft, fordert aber zugleich Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Mit der „Geflügel-Agenda 2025“ hat der ZDG ein Forderungspapier vorgelegt, das seine zentralen Anliegen bündelt und deutlich macht: Wenn Lebensmittel hohe Standards erfüllen sollen, braucht es dafür klare politische Voraussetzungen.