Es riecht nach Erde und feuchtem Rübenschnitt. Auf den Feldern rollen die Rübenroder, in den Fabriken läuft die Kampagne. Doch was früher Routine war, wird zunehmend zur Bewährungsprobe. Erträge schwanken, Erntequalitäten verändern sich und neue Krankheiten stellen ganze Regionen vor Herausforderungen.
Die Zuckerwirtschaft reagiert darauf mit Forschung, Wissen und Innovation entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Landwirte, Verbände, Forschungseinrichtungen, Beratung und Unternehmen bündeln ihr Wissen, um die Rübe widerstandsfähiger zu machen.
Wenn das Klima die Rohstoffe verändert
Der Klimawandel verändert die Entwicklungsbedingungen für die Zuckerrübe. Lange Trockenphasen oder außergewöhnlich hohe Niederschläge treten häufiger auf. Ein milderes Klima bringt zudem ein neues Spektrum an Schädlingen und von ihnen übertragene Krankheiten mit sich. Dies wirkt sich auf den Zuckerertrag und die Qualität der Rüben aus.
Ein Beispiel ist der neu aufgetretene SBR-Komplex – das sind durch Bakterien verursachte Krankheiten. Die Bakterien werden durch die Schilf-Glasflügelzikade übertragen. SBR steht dabei für Syndrome Basses Richesses, Syndrom der niedrigen Zuckergehalte. Der SBR-Komplex stellt die größte pflanzenbauliche Herausforderung der nächsten Jahre dar. Er führt zu weichen, gummiartigen Rüben mit geringeren Zuckergehalten. Das erschwert die Lagerung und die Verarbeitung. Rüben lassen sich schwerer schneiden und der Zucker schlechter aus den Schnitzeln extrahieren. Der Energiebedarf steigt, die Ausbeute sinkt.
Quelle: Wirtschaftliche Vereinigung Zucker e.V.Vor diesem Hintergrund ist Forschung wichtiger denn je. Sie ist die Voraussetzung, um Lösungen zu finden, damit Anbau und Verarbeitung auch unter sich wandelnden Bedingungen wirtschaftlich bleiben.
Ein breites Netz aus Forschung und Praxis
In Deutschland stützt sich die Zuckerrübenforschung auf ein weit verzweigtes Netzwerk. Das Institut für Zuckerrübenforschung (IfZ) in Göttingen, das Julius Kühn-Institut (JKI), die Pflanzenschutzdienste der Länder, Verbände, Züchtung, die Pflanzenschutzmittelindustrie und die Zuckerunternehmen selbst arbeiten gemeinsam an neuen Strategien. Die reichen von der Sortenentwicklung über Boden- und Wassermanagement bis hin zur Krankheitsbekämpfung.
Ein wichtiger Baustein gegen den SBR-Komplex ist das bundesweite Zikaden-Monitoring, das in Kooperation mit dem Informationssystem für die integrierte Pflanzenproduktion, landwirtschaftlichen Verbänden, Offizialberatung und Zuckerunternehmen betrieben wird. Es werden Populationsdaten, Krankheitsbefall und Wetterverläufe erfasst, um regionale Risikokarten zu erstellen. So können Landwirte gezielt zur Bekämpfung beraten werden. Alles im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes.
In Modellregionen werden zudem alle verfügbaren Maßnahmen wie die Umstellung der Fruchtfolge, Pflanzenschutzmittel, andere Sorten, Nährstoffversorgung usw. erprobt. Viele landwirtschaftliche Betriebe stellen dafür Flächen, Technik und Daten bereit.
Quelle: Wirtschaftliche Vereinigung Zucker e.V.Forschung, die wirkt
Forschung in der Zuckerwirtschaft war noch nie ein isoliertes Laborprojekt. Sie entfaltet ihre Wirkung, wenn Ergebnisse auf den Feldern ankommen und von dort neue Impulse zurück in die Forschung gehen.
Eine zentrale Forschungseinrichtung, mit der alle Unternehmen zusammenarbeiten, ist das Institut für Zuckerrübenforschung (IfZ). Auch digitale Plattformen wie die Beratung und Information für den süddeutschen Zuckerrübenanbau (BISZ), der Landwirtschaftliche Informationsdienst Zuckerrübe (LIZ) oder CropConnect sorgen dafür, dass Erkenntnisse schnell in der Praxis verfügbar sind. Beratung und Schulung bilden das Bindeglied zwischen Wissenschaft und Anwendung.
Wissenstransfer zwischen Forschung und Feld
Pfeifer & Langen setzt dabei auf den direkten Austausch mit der Landwirtschaft. Über den LIZ-Dienst werden Versuchsergebnisse aufbereitet und durch Anbauberaterinnen und -berater in die Betriebe getragen. Viele Projekte, etwa zur Schilf-Glasflügelzikade oder zu nachhaltigen Fruchtfolgen, finden direkt auf den Feldern der Landwirte statt. Die gewonnenen Daten fließen zurück an das IfZ und in die gemeinsame Forschung.
„Entscheidend ist, dass Forschung im Ackerbau ankommt“, heißt es bei Pfeifer & Langen. „Wissenschaft, Verbände und Praxis sind stark vernetzt. So entsteht Wissen, das unmittelbar nutzbar ist.“
Quelle: NordzuckerForschung mit eigenen Versuchsbetrieben
Südzucker verknüpft Forschung und Praxis auch über eigene Versuchseinrichtungen. Das Innovationszentrum in Offstein und die Landwirtschaftliche Forschung arbeiten mit Hochschulen, Züchtungsbetrieben und dem IfZ zusammen. Auf dem Versuchsgut Kirschgartshausen bei Mannheim werden Anbauverfahren, Bewässerungssysteme und Maschinen getestet – oft unter den extremen Bedingungen, die künftig Normalität werden könnten. Die Ergebnisse, Daten und Informationen fließen über das Rohstoffportal BISZ, über die Mobile-App Beet2go oder die Deutsche Zuckerrübenzeitung DZZ direkt in die Anbaupraxis.
„Forschung und Praxis müssen heute enger zusammenrücken als je zuvor“, sagt Dr. Wolfgang Kraus, Director Corporate Communication bei Südzucker. „Nur wenn Wissen schnell auf die Felder gelangt, können wir die Anbau- und Verarbeitungsprozesse rechtzeitig an veränderte Bedingungen anpassen.“
Smarte Strategien für eine nachhaltige Rübe
Nordzucker gibt Landwirten im Rahmen der eigenen Smart-Beet-Initiative praktikable Lösungen für die zukünftigen Herausforderungen im Rübenanbau an die Hand und testet smarte Technologien und praktikable Verfahren für einen wettbewerbsfähigen Zuckerrübenanbau. Zusätzlich werden im Rahmen der Nordzucker-FLAG-Ziele, darunter versteht man CO2-Reduktionsziele in Forstwirtschaft, Landnutzung und Landwirtschaft, verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks der Zuckerrübe erprobt. „Für uns fängt Nachhaltigkeit auf dem Feld an“, sagt Frithjof Pape, Head of Sustainable Beet Advisory. „Wir denken unsere Wertschöpfungskette ganzheitlich – vom Anbauer bis zum Konsumenten.“
Das Unternehmen ist ebenfalls in die Forschungslandschaft eingebunden und setzt dabei eigene Akzente, vor allem mit digitalen Anwendungen. Als Ergebnis des Projekts BeetScan kann das Unternehmen Satelliten- und Sensordaten nutzen, um Pflanzenbestände zu überwachen und daraus Gesundheitszustände sowie den Erntestatus abzuleiten.
Quelle: NordzuckerVernetzung über Ländergrenzen hinweg
Die Cosun Beet Company mit ihrem Standort in Anklam ist ebenfalls eng in die gemeinsame Forschungslandschaft eingebunden. In Kooperation mit dem niederländischen IRS arbeitet das Unternehmen an Strategien zur Anpassung des Zuckerrübenanbaus, aktuell vor allem zum SBR-Komplex und zu nachhaltigen Fruchtfolgen. Darüber hinaus engagiert sich Cosun in Projekten zur Kreislaufwirtschaft und Energieeffizienz.
„Wir legen Wert auf einen engen Austausch mit den Anbauern, unseren wichtigsten Rohstofflieferanten. Nur so bringen wir Synergien hervor, die sich auf allen Seiten auszahlen. Für uns und unsere Umwelt,“ lautet das Resümee von Michael Engel, Geschäftsführer der Cosun Beet Company Anklam, über die Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Unternehmen in einer sich stets verändernden Welt.
Gemeinsam zeigen die Unternehmen, dass Forschung kein Selbstzweck ist, sondern gelebte Praxis und dass Fortschritt dort entsteht, wo Wissen geteilt wird.
Wenn sich die Verarbeitung anpassen muss
Die durch Faktoren wie Witterung oder Krankheiten veränderte Rübenqualität wirkt sich auch auf die Verarbeitung in der Fabrik aus. Ein vom Forschungskreis der Ernährungsindustrie (FEI) gefördertes Projekt an der Technischen Universität Berlin untersucht deshalb, wie industrielle Extraktionsprozesse künftig flexibler gestaltet werden können.
Unter dem Titel „Grundlagengestützte Flexibilisierung industrieller Extraktionsprozesse – klimainduzierte Variationen von Zuckerrüben“ simulieren Forscherinnen und Forscher industrielle Bedingungen im Labormaßstab. Dabei geht es um die Frage, wie aus Rüben mit unterschiedlicher Textur, Festigkeit oder Wassergehalt möglichst effizient Zucker gewonnen werden kann.
Die Ergebnisse sollen helfen, Prozessparameter wie Temperatur, Packungsdichte oder Durchfluss künftig an die Qualität der Ernte anzupassen und damit Energie zu sparen, Erträge zu sichern und langfristig auch Züchtungsziele neu zu definieren.
Eine lernende Branche
Forschung schafft Wissen, das Handlungsspielräume öffnet. Die vier Unternehmen bleiben Wettbewerber, doch sie engagieren sich gemeinsam in einem starken Netzwerk, um den Zuckerrübenanbau fit für den Klimawandel zu machen.

