Kochroboter erobern die Kantinen, Kliniken und Küchenlandschaften

In vielen Küchen der Republik fehlen Hände, Zeit und Ressourcen. Gleichzeitig rücken neue Technologien in den Fokus, die den Küchenalltag verändern könnten: Kochroboter, die rund um die Uhr Gerichte ausgeben, sich selbst reinigen und individuelle Wünsche berücksichtigen. Deutsche Start-ups wie GoodBytz und die Circus Group gehören zu den Vorreitern dieser Entwicklung. Für die Lebensmittelindustrie eröffnet dieser Wandel neue Märkte.

Ein Mitarbeitender steht vor der GoodBytz-Kochstation, in der Roboterarme Zutaten verarbeiten und Gerichte zubereiten.Quelle: GoodBytz GmbH

Für viele Betriebe der Gemeinschaftsverpflegung zählt inzwischen jede helfende Hand. Küchenchefs kämpfen mit Personalmangel, steigenden Kosten und einer Nachfrage, die immer stärker von individuellen Ernährungswünschen geprägt ist. Zugleich wächst der Druck, ein vielfältiges Angebot zuverlässig und wirtschaftlich bereitzustellen. In diesem Spannungsfeld entsteht eine neue Dynamik. Kochroboter werden zu einer realistischen Option für den laufenden Betrieb.

GoodBytz: Autonome Küche hinter Glas

Wer dem GoodBytz-System bei der Arbeit zusieht, blickt in eine Miniaturküche hinter Glas, in der Roboterarme nach frischen Zutaten greifen, wiegen und in rotierende Töpfe geben. Die hochstandardisierten Abläufe wirken wie eine präzise Choreografie. In der Umgebung riecht nichts nach Fett, Dampf oder Spülmittel. Das System arbeitet geruchsneutral. Ein integriertes Reinigungsmodul spült Töpfe und Schalen nach jedem Gericht automatisch, ohne dass jemand eingreifen müsste.

Je nach Modell verarbeitet die Station bis zu 42 Zutaten, kocht bis zu acht Gerichte parallel und überwacht laufend Füllstände sowie Haltbarkeiten. Sinkt der Vorrat einer Zutat, wird das automatisch angezeigt. Bleibt der Nachschub aus, verschwinden entsprechende Gerichte vorübergehend aus dem Angebot.

Zwei Pfannen in der GoodBytz-Station zeigen Nudel- und Salatgerichte während der automatisierten Zubereitung.Quelle: GoodBytz GmbH

Die Stationen laufen 23 Stunden autonom und pausieren nur zur manuellen Wartung. Zwischen vier und sieben Minuten benötigt der Roboter für ein Gericht. Für Kantinen in Unternehmen, Kliniken oder Hochschulen bedeutet das: Individuelle Ernährung wird erstmals in größerem Maßstab planbar. Allergien, Unverträglichkeiten, religiöse Vorgaben und persönliche Vorlieben können ohne zusätzlichen Aufwand berücksichtigt werden. Die Kochroboter passen Portionen, Zutaten und Nährwerte in Sekunden an.

„Für uns ist Individualisierung kein ‘Nice to have’ mehr, sie wird zur Grundvoraussetzung. Wir sehen eine klare Verschiebung weg von starren Menüplänen hin zu Essen, das sich an Menschen anpasst, nicht umgekehrt“, so der Dr. Hendrik Susemihl, CEO von GoodBytz.  

Circus und die KI-gesteuerte Großküche

Auch die Circus Group setzt auf geschlossene Kochstationen, in denen Roboterarme den Kochprozess autonom durchführen. Auch dafür braucht das System vorgefertigte Zutaten, die es aus gekühlten Vorratsfächern entnehmen kann. Der CA-1 ist auf hohe Leistung ausgelegt und bereitet bis zu 2.000 Gerichte pro Tag zu. „Der CA-1 kann einen Großteil der traditionellen Küchenaufgaben übernehmen – von der Dosierung über die Zubereitung bis zur Reinigung. Wir können über zwei Milliarden unterschiedliche Gerichte produzieren“, sagt Circus-Gründer Nikolas Bullwinkel im Interview. Durch das Betriebssystem „Circus OS“ werden sämtliche Abläufe digitalisiert und optimiert.

Meta liefert das KI-Modell Llama, das Prozesse überwacht, Fehler erkennt und die Auslastung maximiert. „Algorithmen zur Durchsatzoptimierung sorgen dafür, dass die Kapazität optimal genutzt wird. Die KI überwacht Temperatur, Gewicht und Qualität. So stellen wir eine verlässliche Speisenausgabe sicher“, sagt Bullwinkel.

Auch die Bedienung ist niedrigschwellig. „Technische Kenntnisse sind nicht erforderlich. Die täglichen Reinigungs- und Nachfüllarbeiten benötigen etwa eine Stunde“, so der Gründer. Die Systeme von Circus und GoodBytz ähneln sich, doch die Unternehmen haben unterschiedliche technologische Ansätze und setzen verschiedene strategische Schwerpunkte.

Einsatzorte: vom Supermarkt bis zur Militärbasis

Die Einsatzgebiete wachsen schnell. GoodBytz ist in Kliniken, Unternehmen und Restaurants vertreten, darunter am Universitätsklinikum Tübingen, wo Mitarbeitende auch nachts warm essen können. In Wien ist das System fest in den Alltagsbetrieb eines Restaurants integriert.

Eine Frau bestellt an einem digitalen Terminal ein Gericht aus der GoodBytz-Roboterküche.Quelle: GoodBytz GmbH

Parallel expandiert GoodBytz international und installiert in diesem Jahr erstmals eine Station auf einer US-Militärbasis in Südkorea, inklusive eigens entwickelter energiereicher Rezepte.

Die Nachfrage wächst überall dort, „wo Frische und Verfügbarkeit gleichzeitig gefordert sind: im Retail, in Kliniken, in Unternehmen und zunehmend auch in internationalen Institutionen und im Defense-Bereich“. Auch Containerlösungen für Katastrophenschutz oder abgelegene Orte sind geplant.

Auch Circus erweitert sein Einsatzspektrum schnell. Neben der Meta-Zentrale in München setzen bereits mehrere Rewe-Filialen den CA 1 ein. Weitere Kochroboter laufen oder entstehen an Tankstellen, Flughäfen, Pflegeeinrichtungen und in Kantinen großer Unternehmen. Für militärische Einsätze wurde der robuste CA-M entwickelt, ebenfalls unterstützt durch Llama-KI. Circus ist im NATO-Lieferantenverzeichnis gelistet und für US-Behörden zugelassen.

Ein Mädchen steht vor einer CA-1-Kochstation der Circus Group in einem Supermarkt und beobachtet die autonomen Roboterarme hinter Glas.Quelle: Circus SE

Im November 2025 hat Circus eine strategische Rahmenvereinbarung mit dem ukrainischen Regierungsprogramm BRAVE1 und MITS Capital unterzeichnet. Die Ukraine zählt damit zu den ersten Streitkräften weltweit, die KI-gestützte Versorgungssysteme von Circus einführen. Die Integration beginnt an BRAVE1-Standorten und dient zugleich als Testfeld für weitere autonome Lösungen im Bereich Logistik und mobile Versorgung.

Beide Anbieter erwarten neue Märkte. GoodBytz formuliert es so: „Robotik wird Versorgung wieder dorthin zurückbringen, wo Menschen ihren Alltag verbringen.“ Dazu gehören Verkehrsknotenpunkte, Wohnquartiere, Bildungseinrichtungen und Sportstätten.

Die Geschmacksfrage: Kann ein Roboter gut kochen?

Bei aller technischen Raffinesse bleibt die zentrale Frage: Wie schmeckt das Essen aus dem Kochroboter? Hier gehen die Meinungen sicher auseinander. Erfahrene Köche schmecken ab, passen Gewürze an und reagieren auf die Qualität der Zutaten am jeweiligen Tag. Diese Intuition und das Gespür für Aromen lässt sich nicht ohne weiteres programmieren. Und während traditionelle Küchen mit spontanen Anpassungen arbeiten, bewegen sich Robotersysteme in standardisierten Prozessen.

Doch in der gehobenen Gastronomie gelten generell andere Maßstäbe als in der Gemeinschaftsverpflegung. Hier geht es um verlässliche, hygienisch einwandfreie und nährstoffreiche Mahlzeiten und genau das könnten Roboter konstant liefern.

Wirtschaftliche und technische Hürden der Kochroboter

Die Anschaffungskosten für Kochroboter sind erheblich. Je nach Modell und Ausstattung liegen die Investitionen im sechsstelligen Bereich. Hinzu kommen laufende Kosten für Wartung, Software-Updates, Energieverbrauch und speziell aufbereitete Zutaten.

Die wirtschaftliche Frage der Auslastung ist zentral: Systeme rechnen sich nur, wenn sie über viele Stunden am Tag laufen. Die Energiekosten sind ein weiterer Faktor. Robotersysteme, die 23 Stunden am Tag Kühlung, Heizung und Reinigung betreiben, benötigen kontinuierlich Strom. In Zeiten volatiler Energiepreise kann dies die Kalkulation erheblich beeinflussen.

Die technische Zuverlässigkeit ist ein weiterer Aspekt. Sensoren können ausfallen, Roboterarme verklemmen, Software-Updates fehlschlagen. Ausfallzeiten und Wartungsbedarf müssen bei der Planung berücksichtigt werden.

Entlastung statt Ersatz

Die Frage, ob Roboter Arbeitsplätze gefährden, begleitet jede Form der Automatisierung. Gewerkschaften und Branchenverbände betonen zugleich, dass robotische Systeme vor allem dort sinnvoll sind, wo monotone, körperlich belastende oder wenig attraktive Tätigkeiten anfallen. In Bereichen mit chronischem Personalmangel – etwa an Raststätten, in Schichtbetrieben oder in großen Klinikküchen – sehen Arbeitnehmervertreter darin die Chance, Mitarbeitende zu entlasten und ihnen mehr Zeit für Service, Kommunikation und Qualitätskontrolle zu verschaffen.

Gleichzeitig bleiben langfristige Auswirkungen offen. Kritische Stimmen weisen darauf hin, dass Automatisierung mittelfristig Tätigkeiten verändern oder verlagern könnte, insbesondere bei Beschäftigtengruppen mit geringer Qualifikation. Was heute als Unterstützung fungiert, könnte in einzelnen Bereichen zur Substitution führen. Wie stark diese Effekte ausfallen, wird jedoch erst die praktische Erfahrung in größerem Maßstab zeigen.

Roboterarme der Circus Group rühren und schwenken Zutaten in mehreren Induktionstöpfen innerhalb einer automatisierten Kochstation.Quelle: Circus SE

Digitalisierung als Fundament der Roboterküche

Ein wesentlicher Motor des Wandels ist die digitale Vernetzung. Die Systeme von GoodBytz und Circus überwachen Zutaten, Füllstände und Haltbarkeit in Echtzeit und schaffen eine neue Form von Planungssicherheit. Gleichzeitig verringern standardisierte Abläufe den Lebensmittelverbrauch und ermöglichen eine präzise Steuerung der Kochprozesse.

Perspektiven für die Ernährungswirtschaft

Die Digitalisierung verändert jedoch nicht nur die Küchen selbst, sondern auch die Anforderungen an die Lebensmittel, die darin verarbeitet werden. Robotische Systeme benötigen Produkte, die verlässlich portionierbar, reproduzierbar und maschinengeeignet sind. GoodBytz beschreibt die Rolle der Branche so: „Robotik funktioniert nur dann zuverlässig, wenn Zutaten und Prozesse dafür entwickelt werden. Wir sehen einen starken Schulterschluss mit Produzenten, die verstehen, dass ihre Produkte künftig standardisiert, reproduzierbar und maschinenfähig sein müssen – ohne Kompromisse beim Geschmack.“

Dass zwei deutsche Start-ups in kurzer Zeit so sichtbar wachsen, zeigt, wie rasant sich der Markt entwickelt. Automatisierte Küchen bieten trotz Fachkräftemangel die Möglichkeit, vielfältige Ernährungskonzepte mit konstanter Qualität umzusetzen. Für die Ernährungsindustrie entstehen damit neue Anknüpfungspunkte, von robotertauglichen Produkten bis zu digitalen Logistik- und Planungssystemen.

GoodBytz erwartet, dass sich daraus ein eigenes Innovationsfeld bildet: „Die Ernährungsindustrie wird in den nächsten Jahren zu einem echten Innovationstreiber für robotikfähige Produkte werden. Wir erleben gerade den Beginn eines neuen Ökosystems aus Zutaten, Logistik und digitalen Kochprozessen.“

Auch die Circus Group blickt zuversichtlich auf den globalen Markt. Bullwinkel formuliert es so: „Der Food-Service-Markt wächst rasant. Unser Ziel ist es, in fünf Jahren Marktführer der Food-Robotik zu sein – weltweit.“

Fazit: Automatisierte Küchen können und Kochroboter vor allem dort sinnvoll sein, wo Standardisierung und Verfügbarkeit wichtiger sind als kulinarische Individualität, wo Personal knapp ist oder rund um die Uhr Versorgung nötig ist. Wie schnell sich die Technologie durchsetzt, hängt von Investitionen, Kosten und gesellschaftlicher Akzeptanz ab.