Deutschland liebt sein Brot. Mit über 3.000 registrierten Brotsorten zählt Deutschland zu den vielfältigsten Brotkulturen weltweit. Brot gehört zum Alltag, viele Menschen kaufen es täglich frisch. Bei einer Jahresproduktion von rund fünf Millionen Tonnen entstehen jedoch auch Überschüsse. Insgesamt wird ein Drittel der Backwaren nicht verzehrt. Zehn Prozent davon entsteht als Rückbrot, also Ware, die im Handel nicht mehr verkauft werden kann, weil sie nicht mehr frisch genug ist. In den Backbetrieben selbst fällt zusätzlich Restbrot an. Es ist lebensmittelrechtlich unbedenklich, darf aber wegen optischer Abweichungen oder Produktionsabweichungen nicht in den Verkauf.
Überschüssiges Brot wird bislang meist außerhalb der Lebensmittelkette genutzt, zum Beispiel als Tierfutter, in Biogasanlagen oder zur Gewinnung von Bioethanol. Damit verlieren Produkte, die eigentlich noch genießbar sind, ihren Wert als Lebensmittel. Für die Betriebe ist das eine wirtschaftlich relevante Größe.
Genau hier setzt ein Forschungsprojekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) an, koordiniert vom Forschungskreis der Ernährungsindustrie e. V. (FEI) und durchgeführt an der Universität Halle Wittenberg im Bereich Lebensmittelchemie unter Leitung von Prof. Dr. Daniel Wefers.
Aus Brot-Überschüssen entstehen hochwertige Sauerteige
Der Forschungsansatz ist ebenso pragmatisch wie vielversprechend. Überschüssiges Brot wird nicht entsorgt, sondern erneut in den Wertschöpfungskreislauf zurückgeführt. Dazu wird es zunächst zerkleinert und anschließend gezielt fermentiert. Auf diese Weise entsteht ein Sauerteig, der nicht nur als klassische Backzutat dient, sondern zusätzliche ernährungsphysiologische und technologische Vorteile bietet.
Im Mittelpunkt steht ein biotechnologisches Verfahren mit Milchsäurebakterien. Diese Mikroorganismen können die im Brot enthaltene Stärke umbauen und dabei Isomalto Malto Polysaccharide (IMMPs) bilden. Diese komplexen Kohlenhydrate werden im menschlichen Verdauungssystem nur teilweise gespalten und wirken daher wie Ballaststoffe mit potenziell positiven Effekten auf die Darmgesundheit.
Gleichzeitig verbessern IMMPs nach ersten Erkenntnissen die Backeigenschaften. Brote bleiben länger frisch und das Backvolumen kann stabiler ausfallen. Durch den fermentierten Sauerteig lässt sich damit nicht nur Restbrot sinnvoll nutzen, sondern auch die Produktqualität steigern.
Perspektivisch könnten so mindestens 15 Prozent Rest- und Rückbrot wieder in frische Teige einfließen, ohne Einbußen bei Geschmack, Textur oder Verarbeitung.
Bis zu 80 Prozent weniger Brotverlust möglich
Das Forschungsteam testet, wie sich unterschiedliche Brotarten optimal aufbereiten lassen und welche Starterkulturen die besten Ergebnisse liefern. Dafür werden Faktoren wie Enzymeinsatz, Temperaturführung und die Dosierung der Mikroorganismen systematisch variiert. Ziel ist ein Sauerteig, der nicht nur technologisch stabil ist, sondern auch ernährungsphysiologische Vorteile bietet und sensorisch überzeugt.
In Backversuchen wird der neue Sauerteig zunächst in Weizen- und Weizenmischbroten eingesetzt. Diese Brote haben im Vergleich zu Roggenbroten einen geringeren Ballaststoffanteil. Ein IMMP-reicher Sauerteig kann diesen messbar erhöhen.
Begleitende Schätzungen gehen davon aus, dass durch das Verfahren 20 bis 80 Prozent der bisher ungenutzten Brotmenge erneut in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden könnten. Die benötigte Technik ist in vielen Betrieben bereits vorhanden, weshalb das Verfahren sowohl für Handwerksbäckereien als auch für größere Produktionsstandorte realistisch umsetzbar ist.
Zusätzlich bringt der fermentierte Sauerteig technologische Vorteile, denn er kann als natürliche Ballaststoffquelle dienen, klassische Teigsäuerungsmittel ersetzen und einen Teil des Mehls einsparen. Dadurch sinken die Rohstoffkosten.
Ökologie trifft Ökonomie
Das Projekt zeigt, wie Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Nutzen zusammengehen können. In Deutschland werden jährlich Backwaren mit einem Produktionswert von circa 13 Milliarden Euro produziert. Die Fermentation von Restbrot schafft eine neue Wertschöpfungsebene und eröffnet zugleich Chancen für neue Produktideen.
Auch auf Verbraucherseite wächst das Interesse an ressourceneffizienten Herstellungsprozessen. Das Verfahren bietet Betrieben die Chance, überschüssiges Brot sinnvoll weiterzuverwenden und erneut in die Produktion einzubringen. So bleibt Brot länger Teil der Lebensmittelkette und Rohstoffe werden effizient genutzt. Nachhaltiger kann Innovation kaum sein.
Projektpartner sind unter anderem:
- Universität Halle Wittenberg
 - Der Backzutatenverband e. V. (BZV)
 - Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung e. V. (AGF)
 - Ernst Böcker GmbH & Co. KG
 
Projektkoordinator ist Dr. Markus Brandt.

