Wie die Digitalisierung den Außer-Haus-Markt nachhaltiger macht

Kantinen und Mensen stehen vor einem Umbruch. Wo früher vor allem Routinen und Erfahrungswerte die Produktionsmengen bestimmten, halten zunehmend digitale Werkzeuge Einzug. Intelligente Systeme helfen, den Bedarf genauer einzuschätzen, Apps erleichtern Vorbestellung und Bezahlung, Sensoren zeigen in Echtzeit, wo Abfälle entstehen. Selbst überschüssige Mahlzeiten finden über digitale Plattformen neue Abnehmer. Schritt für Schritt entsteht so ein Alltag, in dem Lebensmittelverschwendung abnimmt, Kosten sinken und politische Reduktionsziele greifbar werden.

Küchenmitarbeiterin legt Speisen aus warmen Behältern auf einen Teller in einer Kantine.Quelle: belart84 / AdobeStock

Täglich essen rund 17 Millionen Menschen in Deutschland außer Haus – in Restaurants, Mensen, Kantinen oder Kliniken. Was den Gästen verborgen bleibt, sind die Mengen an Lebensmitteln, die hinter den Kulissen ungenutzt bleiben. Jährlich summiert sich das auf etwa 1,9 Millionen Tonnen. Die Bundesregierung will diese Zahl bis 2030 halbieren. Unterstützung leisten dabei Initiativen wie die Kompetenzstelle Außer-Haus-Verpflegung sowie digitale Innovationen, die Küchen ermöglichen, Abfälle sichtbar zu machen, Prozesse effizienter zu steuern und Fortschritte messbar zu dokumentieren.

Künstliche Intelligenz in der Mengenplanung

Der stärkste Hebel liegt in der Mengenplanung. Start-ups wie Delicious Data haben Algorithmen entwickelt, die historische Verkaufszahlen, Wetterdaten, Ferienzeiten oder Großveranstaltungen einbeziehen, um präzise Prognosen zu erstellen. Das Ziel: nur so viel kochen, wie wirklich gebraucht wird.

Die Effekte sind messbar. „Eine digitale Erfassung des Food Waste Aufkommens ist für Unternehmen immer spannend, um zu sehen, wo sie stehen und welche Potenziale sie für einen schnellen Impact für klimabewusstes Wirtschaften nutzen können“, heißt es bei Delicious Data. In der Praxis konnten Industrieunternehmen so jährlich zehntausende Mahlzeiten einsparen und ihren Wareneinsatz deutlich reduzieren. In vielen Betrieben liegt die Reduktion vermeidbarer Abfälle inzwischen bei rund 30 Prozent.

Auch einer der größten Kantinenbetreiber des Landes setzt die Technologie inzwischen breit ein: In mehr als hundert Betriebsrestaurants planen Küchenchefs ihre Speisenausgabe mit Hilfe lernender Algorithmen. Renner- und Penner-Listen in der Gastronomie mussten früher mühsam aus Excel erstellt werden. Heute geht es dank maschinellen Lernens mit einem Klick.

Abfälle sichtbar machen

Neben der Mengensteuerung gewinnt das Food Waste Monitoring an Gewicht. Intelligente Mülleimer mit Kamera- und Wägetechnik erfassen, was tatsächlich im Abfall landet. Die Bandbreite reicht vom Tellerrücklauf bis zu verdorbenen Lagerbeständen. Das Radisson Blu Hotel in Bremen reduzierte mit solch einem System die Lebensmittelabfälle in zwei Jahren um sage und schreibe 60 Prozent.

Digitale Schnittstellen zum Gast

Auch der Kontakt zwischen Gästen und Küchen verändert sich. Moderne Kantinen-Apps erlauben Vorbestellungen, Zeitfenster-Pick-ups und bargeldloses Bezahlen. Gespeicherte Vorlieben oder Allergiehinweise vereinfachen die Menüwahl, und lernende Systeme passen die Pläne dynamisch an. So entscheidet nicht mehr nur Routine, sondern eine datenbasierte Nachfrageprognose darüber, wie viele Portionen Currywurst, Pasta oder vegane Bowls gekocht werden. Für die Gäste bedeutet das weniger Wartezeiten, weniger ausverkaufte Lieblingsgerichte und mehr Transparenz über Zutaten und Nährwerte.

Person scannt einen QR-Code an einem Tablet, um digital zu bezahlen.Quelle: N Felix/peopleimages.com / AdobeStock

Wenn doch etwas übrigbleibt

Ganz vermeiden lassen sich Überhänge nicht. Doch auch hier bieten digitale Tools Lösungen. Rettungs-Apps wie Too Good To Go oder RESQ Club ermöglichen es Gastro-Betrieben, überschüssige Mahlzeiten tagesaktuell an Nutzerinnen und Nutzer abzugeben.

Das Studentenwerk Schleswig-Holstein etwa setzt die App inzwischen an allen Standorten ein. „Die Abholzeiten sind flexibel, das finden wir sehr positiv. Auch mit dem Kontakt und dem Kundenservice von Too Good To Go sind wir zufrieden“, sagt Kerstin Klostermann, die die Einführung in Kiel betreut hat.

Überraschungstüten oder Abholboxen direkt nach Ende der Essensausgabe verhindern so, dass noch genießbare Speisen entsorgt werden müssen. Für Betriebe bedeutet das zusätzliche Einnahmen und weniger Entsorgungskosten.

Frau übergibt einer Kundin eine Too Good To Go Tasche mit Lebensmitteln.Quelle: Too Good To Go

Politik setzt klare Ziele

Mit der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung hat die Bundesregierung ehrgeizige Ziele formuliert: Bis 2030 sollen die Abfälle halbiert werden. In der Außer-Haus-Verpflegung koordiniert die Kompetenzstelle Außer-Haus-Verpflegung (KAHV) den Fortschritt.

Die Zwischenbilanz ist ermutigend: Bis Ende 2024 haben sich 262 Standorte aus sieben Branchen beteiligt, 201 davon wurden bereits ausgezeichnet. Laut wissenschaftlicher Evaluation des Thünen-Instituts konnten die Betriebe ihre Lebensmittelabfälle im Durchschnitt um 13 Prozent senken, bei wiederholter Teilnahme sogar um 23 Prozent.

Fazit: Weniger Verluste, mehr Qualität

So digital die Kantine der Zukunft auch wird, sie bleibt ein Ort, an dem Menschen im Mittelpunkt stehen. Künstliche Intelligenz, Abfalltracking und Vorbestell-Apps können Prozesse optimieren, Ressourcen schonen und den Küchenalltag erleichtern. Sie übernehmen Routinen, schaffen Transparenz und geben Küchen-Teams die Freiheit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Qualität, Geschmack und Gastfreundschaft.

Die Digitalisierung macht die Gemeinschaftsverpflegung nicht unpersönlicher, sondern effizienter und nachhaltiger. Wo Daten und Erfahrung zusammenfinden, entsteht ein Modell, das wirtschaftlich überzeugt, den Gästen zugutekommt und einen messbaren Beitrag zum Klimaschutz leistet.