Um über genau das zu sprechen haben wir gemeinsam mit dem Lebensmittelverband Deutschland das „What the Food“-Forum ins Leben gerufen. Am 18. September 2025 kamen in den Kindl-Locations in Berlin-Neukölln Gäste aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Ihr gemeinsames Ziel: Integration nicht nur fordern, sondern gestalten. Mit klaren Worten, offenen Fragen und dem Mut, Widersprüche auszuhalten.
Den Auftakt machte Carolin Weber, Vorständin des Lebensmittelverbands, die für den kurzfristig verhinderten Präsidenten René Püchner einsprang. In ihrer Begrüßung machte sie deutlich, warum das Thema nicht nur auf die politische, sondern auch auf die wirtschaftliche Agenda gehört, als Frage der Haltung, aber auch der Wettbewerbsfähigkeit.
Es folgte ein Grußwort von Staatsministerin Nathalie Pawlik. Sie sagte: „Wir müssen wieder mehr betonen, was gelingt. Trotzdem ist Integration kein Selbstläufer.“ Migration dürfe nicht allein über Arbeitsmarktzugang und Sprachkenntnisse definiert werden. Genauso wichtig sind gemeinsame Werte, echte Teilhabe und langfristige Perspektiven für ein gelungenes Zusammenleben.
📸 Das „What the Food“-Forum in Bildern:























Ein Plädoyer für gelebte Werte
BVE-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff eröffnete das Forum mit einem leidenschaftlichen Appell für eine neue Integrationskultur, jenseits von Symbolpolitik und Polarisierung. Migration, so Minhoff, sei keine Bedrohung, sondern eine demografische Notwendigkeit und zugleich eine Herausforderung, die klare Regeln und gegenseitige Verantwortung erfordere.
Anhand persönlicher Erfahrungen aus seiner Heimat Duisburg-Marxloh schilderte er, wie Zuwanderung Stadtteile verändert und erhalten hat. Integration gelinge nicht durch Appelle allein, sondern durch das tägliche Leben gemeinsamer Werte. „Nur wer seine Werte praktiziert und vorlebt, macht sie sichtbar und verteidigt sie damit.“
Minhoff plädierte dafür, Probleme offen anzusprechen, mehr gesellschaftliche Durchlässigkeit zu ermöglichen und Integration als gemeinsame Aufgabe von Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft zu verstehen. Vielfalt, so sein Fazit, sei kein romantisches Ideal, sondern gelebte Realität. „Es liegt an uns allen, ob daraus eine Erfolgsgeschichte wird.“
Zahlen gegen Mythen
Wie steht es um die Akzeptanz kultureller Vielfalt in Deutschland? Prof. Dr. Frank Kalter vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung brachte Daten in die Debatte und erklärte, dass Migration für Deutschland keine Option, sondern eine demografische Notwendigkeit ist. Allein um den Rückgang der erwerbstätigen Bevölkerung auszugleichen, brauche es jährlich rund 400.000 Zuwanderer. Gleichzeitig machte er deutlich, dass Integration ein langfristiger Prozess ist, der Begleitung, Geduld und gesellschaftlichen Willen brauche
Panel 1: Drei Wege – drei Erfolgsgeschichten
Im ersten Panel wurde es persönlich. Unter dem Titel „Mein Weg – meine Stimme“ berichteten drei Unternehmer von ihrem Weg in die Selbstständigkeit und den gesellschaftlichen Hürden, die sie dabei überwinden mussten.
Engin Ergün, Geschäftsführer der ethnoIQ GmbH, erzählte, wie er einst ein Konzept für den Vertrieb von Halal-Gummibärchen in Deutschland entwickelte und damit Haribo überzeugte. „Diversity ist kein Trend. In den Regalen ist sie längst Realität“, so Ergün. Ethnomarketing richte sich nicht nur an eine Nische, sondern an eine wachsende Zielgruppe und sei auch ein Ausdruck von Wertschätzung, so Ergün.
André Kowalew, Geschäftsführer des Hamburger Unternehmens Dovgan, betonte die wirtschaftliche Bedeutung osteuropäischer Lebensmittel. Sein Unternehmen ist heute einer der größten Distributoren in diesem Segment.
Khuong Dat Vuong, Betreiber des Berliner Kultrestaurants Monsieur Vuong, berichtete, wie er mit 28 Quadratmetern und einer Suppe eine kulinarische Bewegung auslöste. Mittlerweile ist das Restaurant ein Stück Berliner Identität. „Ich habe einen Stein gesetzt für das Selbstbewusstsein der asiatischen Community“, so Voung.
Ernährung, Gesundheit und Kultur
Nach der Mittagspause folgte das zweite Panel mit Fokus auf Ernährung, Gesundheit und kulturelle Prägung. Dr. Daniel Kofahl, Ernährungssoziologe vom Büro für Agrarpolitik und Ernährungskultur (APEK), plädierte in seinem Impuls für eine differenzierte Perspektive auf Esskultur. Essen sei mehr als Nährstoffzufuhr. Es sei sozial, kulturell und identitätsstiftend.
Im anschließenden Panel diskutierten Pastor Bernd Siggelkow (Die Arche), Dr. Niels Pörksen (Südzucker AG), Prof. Claudia Kardys (Hochschule Niederrhein) und Dr. Daniel Kofahl über Ernährung und Teilhabe. Es wurde deutlich: Kinderarmut, Bildungsbenachteiligung und mangelndes Gesundheitsbewusstsein sind zentrale Herausforderungen, vor allem dort, wo Migration auf geringe sozioökonomische Ressourcen trifft.
Poetischer Blick und politische Debatte
Zwischen den Programmpunkten sorgte Dominique Macri mit ihren „Poetic Recordings“ für verdichtete Perspektiven. Sensibel, pointiert und wortgewaltig fasste sie das Gesagte zusammen.
Das letzte Panel stand unter der Überschrift: „Migration & Werte – Was hält uns zusammen?“ Ahmad Mansour, Psychologe und Autor, warb für eine neue Ehrlichkeit in der Debatte. „Politiker glauben oft, Integration sei Sprache plus Arbeit minus Kriminalität – aber das reicht nicht.“ Viele Zugewanderte kämen mit dem Wunsch nach Sicherheit, Freiheit und Wohlstand, seien aber mit einer Gesellschaft konfrontiert, die ihre Erwartungen kaum klar formuliere. Integration sei nur möglich, wenn Grundwerte nicht nur erklärt, sondern „in aller Deutlichkeit formuliert und vorgelebt“ würden. „Integriert ist man, wenn man Freiheit als Chance begreift und nicht als Risiko“, so Mansour.
Im Panel sprachen Caroline Bosbach MdB, Oliver Bartelt (DMK), Ahmad Mansour, Nikolaus Blome (RTL) und Christoph Minhoff über Konfliktlinien, Polarisierung und Chancen. Auch hier war der Tenor klar: Wir müssen lernen, unsere Erwartungen klarer zu formulieren. Demokratie bedeutet auch Konflikt, aber auf Grundlage gemeinsamer Regeln.
Darüber hinaus war die limitierte Design-Edition von Milram ein Thema. Die Verpackung wurde in Teilen der sozialen Medien zur Zielscheibe, da auf ihr Menschen unterschiedlicher Herkunft abgebildet waren. „Was mich beunruhigt, ist nicht die mediale Berichterstattung, die war differenziert und sachlich“, sagte Oliver Bartelt, Kommunikationschef der DMK Group. „Aber es macht mir Angst, in welch kurzer Zeit eine Käseverpackung zur Projektionsfläche für eine Debatte werden kann, die an Absurdität kaum zu überbieten ist.“ Christoph Minhoff warnte davor, solche Diskussionen überhöht zu führen und dabei die gesellschaftliche Balance zu verlieren. Sein Appell: „Wir brauchen eine angstfreie Diskussion über Migration – weil wir die Menschen brauchen.“
Ein Tag, viele Perspektiven
Vielfalt ist längst gelebter Alltag, in der Lebensmittelwirtschaft, in der Gesellschaft, im Berufsleben. Doch sie braucht Pflege, klare Worte und offene Räume. Das „What the Food“-Forum hat gezeigt, wie wertvoll echte Begegnung, offene Debatten und gemeinsame Verantwortung sind. Wir bedanken uns bei unserem Partner, dem Lebensmittelverband Deutschland, und bei allen Speakern, Gästen und Partnern für ihr Engagement, ihre Perspektiven und ihre Offenheit. Und ein herzliches Dankeschön an unsere Sponsoren Dr. Oetker, Ferrero, Haribo, Lebensmittel Zeitung, Mars, Mondelez, Schwartau und Unilever.